Ein Sehnen Im Herzen
sagte er. »Ich bin nicht allein!«
»Ach?« Die Stimme verlor einiges von ihrem lieblichen Klang. »Sie haben Mrs. Chesterton mitgebracht?«
James sagte verwirrt: »Nein, nein, meinen Kammerdiener Roberts, der einige Erfahrung als Wundarzt hat, und meinen Sekundanten Cletus MacEwan. Roberts? Mr. MacEwan?«, rief er. Die beiden stiegen gehorsam aus der Kutsche, wobei das plötzliche Verlagern von Mr. MacEwans nicht unbeträchtlichem Gewicht das Gefährt beinahe einen Fuß in die Höhe schnellen ließ.
Die Frau mit der Kerze lachte wieder, diesmal vor Erleichterung.
»Ach, Mr. MacEwan, welche Freude«, rief sie, als wäre es ihr völlig ernst. »Herein mit Ihnen allen. Kommen Sie auch, Mr. Murphy. Wärmen Sie sich ein bisschen auf. Maura hat in der Küche gerade den Kessel aufgesetzt.«
James, der sich leicht benommen fühlte, folgte dem flackernden Kerzenschein durch ein Labyrinth dunkler Korridore, bis er sich plötzlich in einer unerwartet hellen großen Halle wiederfand. Sonnenlicht strömte durch schmale Spitzbogenfenster, die auf beiden Seiten in das dicke Gemäuer gehauen waren und bis knapp unter ein hohes Deckengewölbe reichten, von dessen Balken einige zerschlissene Banner mit dem Familienwappen der MacCreighs, einer goldenen Ziege auf grünem Hintergrund, hingen. Das Mobiliar in der Halle war spärlich und scheinbar wahllos arrangiert, bis auf eine lange Tafel, die, wie James bemerkte, zum Lunch gedeckt war und nah an einem gewaltigen offenen Kamin stand.
Jetzt konnte er die Frau, die ihn geführt hatte, deutlich sehen und zu seiner Genugtuung feststellen, dass seine Vermutung, sie wäre jung und attraktiv, zutraf. Sie war eher rothaarig als blond und kräftiger gebaut und größer als Emma, hatte aber eine gute Figur, voll und weiblich, obwohl sie, wie James bei sich dachte, kaum älter als Emma sein mochte, achtzehn oder neunzehn vielleicht, im Grunde also noch ein junges Mädchen.
»Ah«, sagte sie, nachdem sie die Kerze ausgeblasen und den Leuchter auf eine Anrichte gestellt hatte. »So ist es schon besser. Jetzt kann ich Sie richtig sehen.« Sie musterte James prüfend von oben bis unten, und er sah Anerkennung in ihren sanften Augen, Augen, die so blau wie der Himmel und so glänzend wie das kupferrote Haar waren, das offen auf ihre Schultern fiel.
»Sie haben eine gewisse Ähnlichkeit mit Mr. Chesterton, Mylord«, sagte das Mädchen schließlich. »Aber nur ein bisschen. Sie sind viel größer, als er je war. Und sehen besser aus, muss ich sagen.«
James, der sich von diesem unverhohlenen Versuch, ihm zu schmeicheln, nicht im Geringsten beeindrucken ließ, bemerkte trocken: »Danke. Ich bin Ihnen sehr verbunden, sowohl für das Kompliment wie für die Gastlichkeit. Darf ich fragen, wem ich für beides zu danken habe?«
Das Mädchen, das ein sehr hübsches Kleid aus weißem Musselin trug, das nicht nur zu kindlich für sie, sondern auch zu leicht für die Jahreszeit war, machte einen anmutigen Knicks. »Die Ehrenwerte Miss Fiona Bain, Mylord. Und ich fühle mich sehr geehrt, dass Sie uns in unserer ländlichen Einöde besuchen.«
James knirschte mit den Zähnen. Verdammt! MacCreighs Schwester. Er hätte es wissen müssen. Aber es ging einfach nicht an, sich mit dem Feind und seiner Familie zu verbrüdern. Hatte ihr Bruder ihr nicht erzählt, dass James mit der ausdrücklichen Absicht gekommen war, ihn zu töten? Oder hatte er es ihr doch gesagt, und das war der Grund für die Schmeicheleien des Mädchens? Wie auch immer, die Situation war nicht nach James' Geschmack.
Auf seine Gefährten traf das jedoch nicht zu. Murphy und MacEwan, die beide hinter ihm hereingestolpert waren, standen mit ihren Hüten in den Händen da und sahen sich mit offenem Mund um. Hier, wo James nur Verfall sah, sahen sie eindeutig Pracht, eine Pracht, die alles übertraf, was sie je im Leben gesehen hatten.
»Mann«, stieß MacEwan hervor, während er die Banner anstarrte, die über ihren Köpfen in dem Wind, der durch die zugige Halle wehte, leicht hin und her schwangen. »Das is' ja größer als 'ne Kirche!«
»Und hier essen sie nur«, fügte Murphy andächtig hinzu. Beide Männer legten die Köpfe zurück und glotzten staunend an die Decke.
James, der befürchtete, sein Sekundant könnte sich für den Feind erwärmen, wandte sich rasch von den beiden ab und fragte Fiona Bain: »Wo finde ich Ihren Bruder, Madam? Ich habe eine Verabredung mit ihm, die ich unbedingt einhalten ...«
»Ah, Denham, mein Guter!
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