Ein Sehnen Im Herzen
mitzuteilen. Richter Reardon, der sich gerade eine Pause von der Besitzstreitklage gönnte, die er in der Schmiede verhandelte, hörte ihnen mit ernster Miene zu; schob dann mit einem müden
Seufzer seine Portion Haggis beiseite und griff nach seinem Hut. Erst in diesem Moment bekam es Emma wirklich mit der Angst zu tun. Richter Reardon unterbrach niemals eine Mahlzeit, es sei denn ...
Es sei denn, es bestand Lebensgefahr.
Und als Emma jetzt in der Tür der großen Halle von Castle MacCreigh stand, sah sie mehr als genug, um sich davon zu überzeugen, dass Mrs. MacTavishs Befürchtungen durchaus berechtigt gewesen waren. Das Leben des Barons war tatsächlich in Gefahr. James hatte ihm gerade einen Schlag versetzt, der kräftiger war als der, den Cletus MacEwan am Vortag bezogen hatte - kräftiger sogar als jener Schlag, den er Stuart damals an jenem Tag in Lady Denhams Salon ver- passt hatte!
Und trotzdem stand er seelenruhig da und rieb sich seine schmerzende Faust.
»Oh«, sagte James, als sein Blick auf Emma fiel, die zwischen Richter Reardon und Mrs. MacTavishs Sohn Sean stand, der sie zusammen mit seiner Mutter und dem Oberrichter mit seinem Karren zum Schloss kutschiert hatte. »Hallo, Emma.«
Emma ließ ihre Hand vom Mund sinken. Sie war völlig fassungslos. Noch nie, seit sie ihn kannte, hatte sie erlebt, dass James Marbury sich so abwegig verhielt. Wirklich, seit er in Faires eingetroffen war, schien er nicht mehr er selbst zu sein, sprach Einladungen an Witwen aus, bei ihm zu leben, wusch freiwillig Geschirr ab, steckte kleinen Jungs Sovereigns zu...
Und jetzt war er hier, um zum zweiten Mal in zwei Tagen ihre Ehre zu verteidigen! Lord Denham, der in Emma nie etwas anderes als das nette kleine Mädchen von nebenan gesehen zu haben schien. Also wirklich, er benahm sich beinahe, als hätte er endlich zur Kenntnis genommen, dass sie eine erwachsene Frau war.
Es war einfach zu erstaunlich, um wahr zu sein.
»Nun, Mrs. MacTavish«, bemerkte Richter Reardon lakonisch. »Es scheint, als wäre Ihr Argwohn begründet. Wie es aussieht, soll hier auf Castle MacCreigh ein Duell stattfinden, und das, obwohl Duellieren gesetzlich verboten ist.« Er schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Dazu noch unter Gentlemen von Rang und Namen! Ich bin entsetzt. Sehr sogar. Was haben Sie dazu zu sagen, Lord Denham?«
James musterte den Richter kühl. »Nur dies«, sagte er. »Ohne Ihre hirnrissige Verfügung, dass Mrs. Chesterton erst in den Genuss ihres Erbes kommt, wenn sie heiratet, wäre nichts von alledem passiert.«
»Oho«, sagte der Richter, scheinbar ungerührt von dieser Anschuldigung. »Darum geht es also.« Er hatte den Raum durchquert, während er sprach, und beugte sich jetzt vor, um einen umgekippten Stuhl aufzurichten. Dann setzte er sich, wedelte mit der Hand und sagte: »Na schön, weitermachen, weitermachen. Möge der Bessere gewinnen, wie es so schön heißt.«
Emma zog scharf den Atem ein. »Wie bitte?«
Richter Reardon warf einen Blick in ihre Richtung. »Tut mir Leid, Mrs. Chesterton«, sagte er und stand hastig auf. »Ich hätte Ihnen diesen Platz anbieten sollen. Setzen Sie sich, setzen Sie sich doch!«
Emma hatte das Gefühl, sich in einem Raum voller Irrer zu befinden. »Nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Euer Ehren, dass dürfen Sie nicht erlauben. Die beiden werden einander umbringen!«
»Möglich«, stimmte der Richter zu, während er wieder auf den Stuhl sank. »Durchaus möglich.«
»Aber das dürfen Sie nicht zulassen!« Emma stürmte los, bis sie zwischen den Streithähnen stand, die sie beide interessiert beobachteten, James drohend vor dem Baron aufragend und Geoffrey Bain von dem Tisch aus, an dem er zusammengesackt war. »Das ist absurd! Sie können es nicht dulden. Man muss sie aufhalten!«
Der Richter zog einen Tabaksbeutel aus seiner Westentasche und fing an, bedächtig seine Pfeife zu stopfen. »Das mag wohl sein, meine Liebe«, erwiderte er freundlich, »aber ich werde es nicht versuchen. Ich habe in meinen Jahren auf dem Richterstuhl gelernt, dass es so gut wie sinnlos ist, einen Mann daran hindern zu wollen, einen anderen umzubringen. Wenn ein Mann wirklich auf Mord aus ist, wird nichts und niemand ihn aufhalten.«
Emma, die nicht sicher war, ob sie richtig gehört hatte, starrte den behäbigen Richter ein paar Sekunden lang an. Als sie sah, mit welcher Ruhe er seine Pfeife anzündete, platzte sie heraus: »Warum in aller Welt sind Sie mitgekommen, wenn
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