Ein sehr privater Verführer (Baccara) (German Edition)
eines der hübschen Outfits an, die Annalise mitgebracht hatte – marineblaue Caprihosen, eine weiße, ärmellose Tunika und dazu rote Ballerinas. Während sie sich ankleidete, dachte sie über Gareths Vorschlag nach, mit nach Washington zu fahren. Der Ausflug reizte sie, doch sie war entschlossen, danach nach Hause zurückzukehren. Es war Zeit, ihr Leben wieder in den Griff zu kriegen. Das hieß auch, die Konfrontation mit ihrem Vater zu suchen.
Sie frühstückte nur ein kleines Müsli mit Joghurt, kramte dann ihr Handy aus der Handtasche und schaltete es ein. Der Empfang war mäßig, und die Batterie halb leer. Langsam durchsuchte sie ihre Kontakte, bis sie den Eintrag „Daddy“ fand. Mit Herzklopfen rief sie ihn an.
„Sie haben die Mailbox von Edward Darlington erreicht, Eigentümer und Geschäftsführer der Darlington Gallery in Savannah, Georgia. Ich bin zurzeit nicht im Büro, und die Galerie ist geschlossen. Nächste Woche öffnen wir wieder. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Signalton. – Oh, Gracie, wenn du das bist: Niemals aufgeben, Baby. Du schaffst es. Mach, dass ich stolz auf dich sein kann.“
Es piepte, und Gracie legte auf. Verdammt, was meinte ihr Vater damit? Warum hatte er sie in die Wolff Mountains geschickt. Und ausgerechnet zu Gareth Wolff?
Sie schloss die Augen und versuchte, sich auf die Stimme ihres Vaters zu konzentrieren. Fragmente einer Unterhaltung kamen ihr in den Sinn. Das Gefühl, ihrem Vater einen Gefallen tun zu wollen. Aber warum? Weil sie es für ihre Pflicht hielt? Oder aus einem nicht ganz so selbstlosen Grund? Jetzt sah sie schemenhaft Bilder vor sich. Räume, in denen Gemälde hingen. Aber vielleicht erfand sie das ja auch gerade aus reiner Verzweiflung.
Wieder wandte sie sich den Einträgen in ihrem Telefonbuch zu, weil sie hoffte, dass irgendein Name vertraut sein würde. Doch die Leute in der Liste waren ihr fremd. Selbst die E-Mails, meist geschäftlicher Natur, sagten ihr nichts.
Sie musste aufhören, sich so zu stressen, hatte Gareth gesagt. Sie sehnte sich plötzlich nach ihm, stand auf und ging ihn suchen.
In der Küche war er nicht, auch nicht im Wohnzimmer. Sein Schlafzimmer war leer und perfekt aufgeräumt. Die „stille Armee“ ist wieder am Werk gewesen, dachte sie schmunzelnd.
Ehe sie nach draußen ging, zog sie eine Strickjacke über, denn es war düster geworden, und dicke schwarze Wolken ballten sich am Himmel. Fröstelnd rannte sie hinüber zur Werkstatt, doch die Türen waren geschlossen. Als sie durch eines der Fenster spähte, entdeckte sie nur den Hund, der auf seiner Decke lag, kurz den Kopf hob, gähnte, und sofort wieder einschlief. Offensichtlich kein Wachhund.
Es roch nach Regen, und Gracie fühlte sich unbehaglich, hier, mitten in der Wildnis, ohne eine Menschenseele. Was wusste sie schon von Gareth Wolff?
Eine Windböe erfasste sie, und die ersten Regentropfen klatschten ihr ins Gesicht. Also rannte sie wieder hinüber zum Haus, schloss die schwere Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Was nun?
Unentschlossen wanderte sie durch die Flure und Zimmer, betrachtete Gemälde, Skulpturen und Wandteppiche. Was fehlte, waren Fotos. Nicht einmal in Gareths privatestem Bereich gab es ein Familienbild. Das ganze Haus war durchgestylt und wirkte kalt.
Am gemütlichsten schien ihr noch die Küche mit all den kupfernen Pfannen und Töpfen, ordentlich aufgehängt, daneben Knoblauchstränge und getrocknete Tomaten. Hinter den Edelstahlgeräten sorgten farbenfrohe Kacheln für etwas Atmosphäre. Aber am Kühlschrank fehlten die üblichen Zettel, Magnete, Postkarten und Fotos.
Gareth war immer noch nicht wieder aufgetaucht.
Draußen heulte der Sturm ums Haus, es blitzte, und sofort folgte krachender Donner. Immerhin bin ich bei Gewitter nicht ängstlich, stellte Gracie zufrieden fest.
Eigentlich wäre so ein Tag perfekt gewesen, um im Bett zu bleiben und Liebe zu machen. Mit Gareth. So wie gestern Nacht. Andererseits – war sie nicht völlig verrückt gewesen, sich darauf einzulassen? Ihn auch noch darum zu bitten? Jetzt war es ihr fast peinlich, und eigentlich war sie ganz froh, Gareth gerade nicht begegnen zu müssen.
Schließlich landete sie in der Bibliothek, einem wunderschönen Raum mit deckenhohen Bücherregalen auf niedrigen Einbauschränken. Gracie überflog die Buchtitel und bemerkte, dass die Werke nach Kategorien geordnet waren. Der wilde, unkonventionelle Gareth Wolff hatte offenbar einen Sinn für
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