Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek B. Miller
Vom Netzwerk:
unberührt. Das Monster ist nicht bis hierher vorgedrungen.
    Sheldon reißt den Teppich herunter, der die Hintertür verdeckt, und fummelt an dem Schloss herum. Er rüttelt daran, drückt dagegen, hebt sie an, bis es ihm endlich gelingt, sie weit genug aufzustoßen, dass sie beide hindurchschlüpfen können. Die Tür macht einen Riesenkrach und ist schwer. Irgendetwas Massives lehnt von außen gegen die Tür. Er hätte sie nicht aufgekriegt, ohne gehört zu werden. Ein schwacher Trost.
    Flüsternd, um ihn nicht zu erschrecken, sagt Sheldon zu dem Jungen: «Bleib mal kurz hier. Ich geh raus, um zu schauen, ob die Luft rein ist, dann können wir verschwinden. Weil wir nämlich nicht durchs Wohnzimmer gehen wollen.»
    Sheldon schlüpft hinaus auf die schmale Straße hinter dem Gebäude. Eine Mülltonne hatte die Tür verstellt. Die Türen waren ziemlich verrostet. Beides zusammen hätte sie töten können.
    Sheldon geht ein paar Meter nach links und biegt in eine Seitenstraße ein, in der die Sonne scheint und Paare flanieren. Alles hier ist ruhig, sicher und ereignislos. Was in der Wohnung passiert ist, hat keinen Einfluss auf die Welt ringsum.
Jeder lebt für sich allein.
    Als Sheldon gerade wieder kehrtmachen will, um den Jungen zu holen, fährt langsam ein weißer Mercedes vorbei. Es ist derselbe Mercedes, den er durchs Fenster gesehen hat. Auf dem Fahrersitz, nach vorn starrend, ein Mann in einer schwarzen Lederjacke mit goldenen Ketten um den Hals. Neben ihm sitzt ein weiterer Kerl.
    Der Beifahrer und Sheldon blicken sich an, als das Auto vorbeigleitet.
    Auf seinem Gesicht ist kein Zeichen des Erkennens auszumachen. Er hat Sheldon noch nie zuvor gesehen. Hat keinen Grund zu der Vermutung, dass der alte Mann mehr als ein zufälliger Passant in der Nähe eines Mordes sein könnte.
    Doch da gibt es eine Verbindung. Da war etwas zwischen ihnen. Sheldon spürt es sofort.
    Als das Auto vorbeifährt, murmelt Sheldon ganz leise, damit die Worte ausgesprochen wurden, obwohl niemand da ist, um sie zu hören:
    Du wirst ihn nicht bekommen. So wahr Gott mein Zeuge ist, du wirst ihn nicht bekommen.
    Drinnen kritzelt er eine Nachricht. Die Worte fließen ganz von selbst, als hätte er eine göttliche Eingebung. Rhea wird sie verstehen. Sie wird die Anspielung begreifen. Sie wird wissen, wohin er geht. Was das Ganze bedeutet.
    Er legt den Zettel neben die Fotos auf seinem Nachttisch, schiebt ihn unter das Marineabzeichen. Den Gedanken, die Uhrzeit dazuzuschreiben, verwirft er.
    Nachdem sie die Wohnung durch die Hintertür verlassen haben, brauchen Sheldon und der Junge nicht lange ziellos herumzulaufen, bis sie einen sicheren, öffentlichen Platz finden, an dem sie nur mit geringer Wahrscheinlichkeit gefunden werden. Wie zahlreiche andere Norweger bummeln sie zum Botanischen Garten hinüber und verstecken sich in der Schönheit des Tages. Nur dass sie keine Norweger sind.
    Sie sitzen auf einer Parkbank, nachdem er dem Jungen ein Eis gekauft hat, und Sheldon sieht auf die Armbanduhr, damit er genau weiß, zu welchem Zeitpunkt ihm die Ideen ausgegangen sind.
    14 : 42 Uhr. Ein komplett beliebiger Zeitpunkt.
    Ein Streifenwagen fährt hinter ihnen vorbei, mit Blaulicht und Sirene. Gleich darauf folgt ein zweiter. Er weiß sofort: Sie haben sie gefunden. Bald werden sie den Zettel entdecken.
    «Ich glaube, wir sollten uns einige Zeit in einer Höhle verkriechen, Junge, wie Huckleberry Finn. Kennst du die Geschichte? Von Huckleberry Finn? Er ist einen Fluss hinaufgefahren, nachdem er einen Streit mit seinem Vater hatte. Fingierte seinen eigenen Tod. Hat sich mit einem weggelaufenen Sklaven namens Jim angefreundet. Ein bisschen so wie du und ich, sofern ein alter Jude und ein kleiner als Paddington-Bär verkleideter Albaner einen einigermaßen vernünftigen Ersatz für die Originalbesetzung darstellen. Allerdings müssen wir dafür irgendwo untertauchen. Unsere eigene Version von Jackson’s Island. Und wir müssen auch stromaufwärts fahren. Nach Norden, Richtung Freiheit. Blöd ist nur, dass ich hier nicht in meinem Element bin. Ich weiß nicht, ob ich dir eine große Hilfe sein kann. Ich kann dich nicht einfach irgendwo abgeben. Ich kann dich nicht der Polizei übergeben und hoffen, dass dich die Norweger nicht wieder zurück zu dem Monster aus der Wohnung über uns bringen. Woher sollte ich wissen, wer das ist? Das Einzige, was ich weiß, ist, dass es nicht deine Schuld ist. Und das genügt mir fürs Erste. Ich bin also auf deiner

Weitere Kostenlose Bücher