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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Jetzt wußte ich, daß es nur Teil der Scharade gewesen war.
    »Lucy«, half sie mir. »Lucy Myers.«
    »Natürlich. Entschuldigung, ich war meilenweit weg.« Ich legte die Süßspeisen in den überquellenden Wagen. »Wie geht es dir?«
    »Nein, wie geht es dir? « , antwortete sie eifrig. »Du hast so eine schreckliche Zeit hinter dir, ich habe alles darüber gelesen, na ja, das hat jeder. Wir bewundern dich so sehr. So tapfer. Im Krankenhaus reden sie von nichts anderem.«
    »Großartig«, sagte ich.
    »Ja.« Sie zog ihren Wagen aus der Mitte des Ganges, so daß er mir den Weg blockierte. Ich war gefangen von den beiden vollgepackten Einkaufswagen und der Tiefkühltruhe, und Lucy war mein Wärter. In ihrem Wagen sah ich Hundefutter, Mineralwasser, Lauch, Deodorant, Küchenkrepp und Mülltüten.
    Plötzlich war mir ein wenig übel, und hastig legte ich die Zitronenmeringue zurück. »Ich meine, unglaublich, wie berühmt du jetzt bist. Die Leute müssen dich auf der Straße erkennen und so.«
    »Manchmal.« Ich legte auch den Pecankuchen zurück.
    »Du wärst fast ertrunken. Wie schrecklich.«
    »Ja, das war es«, stimmte ich zu. Ich mußte an Katzenfutter für Anatoly denken.
    »Und weißt du, was wirklich erstaunlich ist?«
    Sie schob die Wagen auseinander und trat dazwischen, kam mit ihrem Gesicht nahe an meins. Ich konnte ihre Kontaktlinsen erkennen.
    »Ich habe sie gekannt.«
    »Wen?«
    Sie nickte mir nachdrücklich zu, begeistert, selbst auch ein Teil dieses Dramas zu sein.
    »Ich kannte Fiona Mackenzie. Ist das nicht merkwürdig, daß ich dich kenne und sie auch?«
    »Aber …«
    »Es stimmt. Meine Mutter und ihre Mutter waren Freundinnen. Ich war sogar ihr Babysitter, als sie klein war.«
    Lucy kicherte, als sei es die faszinierendste Neuigkeit der Welt, daß sie der Babysitter von jemandem gewesen war, der seine Eltern abgeschlachtet hatte und dann in einem Auto verbrannt war. »Ich habe sie ein paar Jahre nicht mehr gesehen, drei Jahre vielleicht. Sie kam mit ihren Eltern zur Hochzeit meiner Schwester. Sie …«
    »Warte einen Moment, Lucy.« Ich sprach langsam, als ob sie Englisch nicht sehr gut verstünde. »Du hast sie gesehen.«

    »Das sage ich doch gerade, Sam.«
    »Nein, ich meine, du hast sie hier mit mir gesehen. Letztes Mal, als wir uns getroffen haben, in, wie heißt das, in Goldswan Green, hatte ich eine junge Frau bei mir, erinnerst du dich?«
    »Ja, natürlich.«
    »Finn. Fiona Mackenzie.«
    »Das war Fiona? Sie war so schlank, und ich hatte doch von ihrem Problem gehört.«
    Ich nickte.
    »Anorexie«, sagte ich.
    Sie sah mich an, ihr rundes Gesicht verzog sich, und dann prallte ein fetter Mann, dem der Bauch über den Gürtel hing und dessen Hemd unter den Achseln schweißnaß war, mit seinem Einkaufswagen gegen die unseren.
    »Passen Sie doch auf, wo Sie stehenbleiben!« brüllte er.
    »Passen Sie doch auf, wo Sie hingehen«, fauchte ich zurück und sah dann wieder Lucy an. Die Frau sollte mir nicht so schnell entkommen; endlich hatte ich jemanden, der Finn Mackenzie tatsächlich gekannt hatte. »Erzähl mir von ihr.«
    »Wie soll ich sie beschreiben? Ach, meine Güte, sie war«, sie spreizte die Hände so weit auseinander, als halte sie einen Strandball, »ziemlich rundlich, könnte man sagen, aber nett. Ja«
    – Lucy sah mich an, als hätte sie mir eine Art Hinweis gegeben
    –, »sehr nett.«
    Ich zog die Augenbrauen hoch. »Nett?«
    »Ja. Ziemlich still, glaube ich, sie drängte sich nicht in den Vordergrund. Vielleicht war sie ein bißchen schüchtern.«
    »Sie war also nett und still?«
    »Ja.« Lucy sah aus, als werde sie gleich in Tränen ausbrechen.
    Wie stand diese Frau jemals ihre Schichten auf der Station durch? »Es ist so lange her.«

    »Wie sah sie damals aus? Wie zog sie sich an?«
    »Tja, das kann ich eigentlich nicht sagen. Nichts Übertriebenes, weißt du. Ich glaube, sie sah immer ganz hübsch aus, obwohl sie natürlich sehr rundlich war. Sie trug ihr Haar lang und offen. Hör mal, Sam, es war nett, dich zu treffen, aber
    …«
    »Ja, entschuldige, Lucy, du mußt sicher noch einkaufen. Wir sehen uns bald.«
    »Das wäre sehr schön.« Der eifrige, freundschaftliche Ton kam jetzt, da wir uns trennten, wieder zurück. »He, warte, Sam, was ist mit deinem Einkaufswagen?«
    »Ich hab’s mir anders überlegt!« rief ich, während ich mit leeren Händen durch den Gang zum Ausgang eilte. »Ich brauche eigentlich doch nichts.«
    Im Haus war es vollkommen still. Oben schlief

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