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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Finn Mackenzie.«
    Ich streckte ihr meine Hand hin, aber sie sah mich nicht an und merkte es daher nicht. Ich machte aus der Geste eine sinnlose, flatternde Bewegung. Ich bat alle in den Raum, in dem ein Sofa stand. Verlegen nahmen wir Platz. Ich bot ihnen Tee an. Baird sagte, Angeloglou würde ihn aufgießen. Angeloglou stand auf, er wirkte gereizt. Ich ging mit ihm hinaus und ließ die anderen schweigend zurück.
    »Ist das wirklich eine gute Idee?« flüsterte ich, während ich einen Becher ausspülte.
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Es könnte etwas nützen«, sagte er. »Alles andere hat nicht geklappt, aber erzählen Sie keinem, daß ich das gesagt habe.«
    Als wir zurückkehrten, herrschte noch immer Schweigen.
    Baird hatte eine alte Zeitschrift vom Boden aufgehoben und betrachtete sie abwesend. Dr.
    Daley hatte seinen Mantel
    ausgezogen; er trug ein ziemlich verblüffendes gelbes Hemd, das ebenso von einem teuren italienischen Designer wie aus einem Oxfam-Laden stammen konnte, und saß neben Finn auf dem Sofa. Ich reichte ihnen zwei Becher Tee. Daley nahm sie beide und stellte sie auf den Tisch. Er suchte in seinen Hosentaschen herum, als hätte er etwas verloren und wüßte nicht, was es war.
    »Darf ich rauchen?« Daleys Stimme war fast unnatürlich tief und klang ein wenig träge gedehnt. Ich erinnerte mich von der medizinischen Fakultät her an seinen Typ. Soziale Selbstsicherheit, wie ich sie nie empfunden habe.
    »Ich hole einen Aschenbecher«, sagte ich. »Oder etwas Ähnliches.«
    Er sah nicht so aus, wie ich mir einen Landarzt vorstellte, und deswegen fühlte ich mich mit ihm sofort vertrauter als mit Baird oder Angeloglou. Er war groß, gut über einsachtzig; das Zigarettenpäckchen wirkte ein bißchen zu klein in seinen langfingrigen Händen. Er zündete sich sofort eine Zigarette an und schnippte die Asche bald in die Untertasse, die ich ihm gab.
    Er mußte Mitte Vierzig sein, aber das war auf den ersten Blick schwer zu beurteilen, weil er müde und zerstreut aussah. Er hatte dunkle Ringe unter den grauen Augen, und seine glatte Mähne war ein wenig fettig. Sein Gesicht war eine seltsame Mischung aus wild wuchernden Augenbrauen, hohen Wangenknochen und einem breiten, höhnischen Mund. Finn wirkte neben ihm klein und zerbrechlich und ziemlich farblos.
    Die Blässe ihres Gesichts wurde von dem dichten, dunklen Haar und ihrer dunklen Kleidung betont. Sie hatte offensichtlich tagelang nichts gegessen; sie war hager, und ihre Wangenknochen standen hervor. Sie war unnatürlich still, nur ihre Augen flackerten, blieben auf nichts haften. Ihr Hals war bandagiert, und die Finger ihrer rechten Hand fuhren dauernd an den Rand des Verbandes und zupften daran herum.
    Man hätte vielleicht erwarten können, daß mir angesichts dieses grausam mißhandelten Geschöpfs das Herz aufging, aber dazu fühlte ich mich zu überrumpelt und verwirrt. Für eine Begegnung mit einer neuen Patientin war das ein absurder Rahmen, aber sie war ja auch nicht meine Patientin, oder? Doch was genau war sie dann? Was sollte ich sein? Ihre Ärztin?
    Ältere Schwester? Beste Freundin? Ein Lockvogel? Eine Art Amateur-Gerichtspsychologin, die nach Indizien schnüffelte?
    »Gefällt Ihnen das Leben auf dem Land, Dr. Laschen?« fragte Baird leichthin.
    Ich ignorierte ihn.
    »Dr. Daley«, sagte ich, »ich denke, es wäre eine gute Idee, wenn Sie und Finn sich das Zimmer ansehen würden, in dem Finn wohnen wird. Wenn Sie oben sind, ist es der Raum ganz links hinten mit Blick über den Garten. Sie können sich umschauen und mir sagen, ob ich vielleicht irgend etwas vergessen habe.«
    Dr. Daley sah Baird fragend an.
    »Ja, jetzt«, sagte ich.
    Er führte Finn aus dem Zimmer, und ich hörte sie langsam die Treppe hinaufgehen. Ich wandte mich an Baird und Angeloglou.
    »Sollen wir vielleicht ein bißchen in die freie Natur hinausgehen, die ich so sehr genießen soll? Sie können Ihren Tee mitnehmen.«
    Baird schüttelte den Kopf, als er den Zustand meines Küchengartens sah.
    »Ich weiß«, sagte ich und trat ein rosa Plastikding, das Elsie liegengelassen haben mußte, aus dem Weg. »Ich hatte diese Vision, mich aus dem eigenen Garten zu ernähren.«
    »Nicht dieses Jahr«, sagte Angeloglou.
    »Nein«, sagte ich. »Anscheinend habe ich anderes zu tun.
    Schauen Sie, Inspector …«
    »Nennen Sie mich Rupert.«
    Ich lachte. Ich konnte nicht anders.
    »Im Ernst? Also gut. Rupert. Bevor ich mit irgend etwas anfange, muß ich mit Ihnen über ein

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