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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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trank Tee. Thelma nahm ihre Brille von der Nase, und ich konnte die tiefe rote Rille sehen, die sie dort hinterlassen hatte. Sie rieb sich die Augen. Keiner von beiden sagte etwas.
    »Ich bin gerade erst hier eingezogen. Ich wollte ein paar Monate Zeit für mich haben.« Meine Stimme, vor Empörung zu laut, füllte den stillen Raum. Halt den Mund, sagte ich mir; halt einfach den Mund. Warum kamen Danny und Elsie nicht nach Hause? »Diese Zeit ist wichtig für mich. Das mit dem Mädchen tut mir leid, aber …«
    »Ja«, sagte Thelma, »sie braucht Hilfe.« Sie schob einen ganzen Cremekeks in den Mund und kaute geräuschvoll.
    »Ich wollte gerade sagen, daß es mir ihretwegen leid tut, aber ich glaube nicht, daß es …« Der Satz blieb in der Luft hängen, und ich wußte nicht mehr, wie ich ihn beenden wollte. »Wie lange, haben Sie gesagt?«
    »Davon habe ich nichts gesagt. Und Sie müssen selbst entscheiden.«
    »Ja, ja. Inspector Baird, wie lange?«
    »Es wären nicht mehr als sechs Wochen, vermutlich viel weniger.«
    Ich schwieg und dachte wütend nach.
    »Wenn ich es in Erwägung ziehen würde, woher wüßte ich, daß ich meine Tochter nicht in Gefahr bringe? Falls ich beschließen würde, sie aufzunehmen.«
    »Es würde diskret vor sich gehen«, sagte Baird. »Ganz diskret.
    Keiner würde wissen, daß sie hier ist. Woher sollte es jemand erfahren? Es ist bloß eine Vorsichtsmaßnahme.«

    »Thelma?«
    »Ja.« Sie sah zu mir auf, ein Troll, der aus der Kälte kam.
    »Was denken Sie?«
    »Sie haben das richtige Fachgebiet, Sie wohnen in der Nähe.
    Es lag auf der Hand, an Sie zu denken.«
    »Falls sie käme«, sagte ich schwach, »wann würde sie dann kommen?«
    Bairds Stirn runzelte sich, als versuche er, sich an die Abfahrtszeit eines Pendlerzugs zu erinnern.
    »Ach«, sagte er beiläufig, »wir dachten, morgen früh wäre ein passender Zeitpunkt. Sagen wir halb zehn.«
    »Passend? Halb zwölf wäre besser.«
    »Gut, das bedeutet, daß ihr Arzt sie begleiten kann«, sagte Baird.
    »Also ist alles geregelt.«
    Thelma nahm meine Hand, als sie ging.
    »Es tut mir leid«, sagte sie, aber es tat ihr nicht leid.

    »Ich werde weg sein, bevor sie kommt.«
    »Danny, du brauchst nicht zu gehen; ich glaube bloß, es wäre keine gute Idee, in der Nähe zu sein, wenn …«
    »Red keinen Scheiß, Sam. Bin ich in deinen Überlegungen vorgekommen, als du über dieses Mädchen entschieden hast?«
    Er starrte mich an. »Nein, oder? Du hättest wenigstens mit mir darüber reden können, bevor du ja gesagt hast, so tun können, als spiele es eine Rolle, was ich darüber denke. Ist die Zukunft dieses Mädchens dir wichtiger als unsere?«
    Ich hätte sagen können, daß er recht hatte und es mir leid tat, nur wußte ich, daß ich meine Einwilligung, das Mädchen aufzunehmen, nicht widerrufen würde. Ich hätte bitten können.
    Ich hätte auch wütend reagieren können. Statt dessen versuchte ich, unsere Meinungsverschiedenheiten auf die alte, vertraute Weise beizulegen. Ich schlang die Arme um ihn, strich sein Haar zurück, streichelte seine stoppelige Wange, küßte seine wütend verzogenen Mundwinkel und fing an, sein Hemd aufzuknöpfen. Aber Danny stieß mich zornig zurück.
    »Wir vögeln, und ich vergesse, was?«
    Er zog seine Schuhe an und nahm die Jacke, die er über einen Stuhl gehängt hatte.
    »Gehst du?«
    »Sieht so aus, nicht?« In der Tür blieb er stehen.
    »Wiedersehen, Sam, bis demnächst. Vielleicht.«

    8. KAPITEL
    Wenn man einen Gast erwartet – oder, wie in diesem Fall, einen Pseudogast –, ist die Konvention, daß man für ihn aufräumen muß, am unangenehmsten. Fiona Mackenzie sollte am späten Vormittag kommen. So hatte ich, nachdem ich Elsie zur Schule gebracht hatte, ein paar Stunden Zeit, um im Haus herumzupusseln. Ich mußte taktisch vorgehen. Das Haus gründlich aufzuräumen, war natürlich unmöglich. Eine prinzipielle Ordnung herzustellen, war eine noch vergeblichere Hoffnung, die eingehend mit Sally erörtert werden mußte. Aber Sally war sehr langsam, sie hatte ein kompliziertes Gefühlsleben, und jedes Gespräch mit ihr ging in dessen Labyrinthen unter. Für den Augenblick hatte ich Zeit, ein paar Sachen aus dem Weg zu räumen, so daß man Türen öffnen, durch Flure gehen und auf Stühlen sitzen konnte.
    Die Platte des Küchentischs war fast nicht zu sehen, aber es waren nur der Transport von Elsies Becher und Teller ins Spülbecken, der Getreideflockenpackung in einen Schrank und der geöffneten

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