Ein sicheres Haus
Stamford General reden«, sagte Daley und spülte weiter. »Jedenfalls gehört sie jetzt ganz Ihnen.«
»Nein, das tut sie nicht«, antwortete ich. »Sie ist Ihre Patientin.
Darauf bestehe ich. Das hier ist so schon ausgefallen genug. Ich bin nur inoffiziell und hoffentlich hilfreich beteiligt. Aber wie ich hörte, waren Sie seit Jahren ihr Hausarzt, und es ist absolut entscheidend, daß Sie in ihren Augen Ihre Stellung als ihr Arzt behalten. Können Sie das akzeptieren?«
»Sicher. Ich werde helfen, wo ich kann.«
»Dann hoffe ich, daß Sie sie regelmäßig besuchen werden; Sie sind ihre einzige Verbindung zu der Welt, aus der sie kommt.«
»So, fertig«, sagte er, nachdem er nicht nur die Becher abgewaschen hatte, sondern auch mein Frühstücksgeschirr und das vom gestrigen Abendessen. »Ich sollte wohl noch erwähnen, daß ich meine Zweifel an dieser Sache habe. Ich meine, an diesem Plan. Aber so, wie es gelaufen ist, glaube ich nicht, daß Finn in besseren Händen sein könnte.«
»Ich hoffe, alle werden auch dann noch zu mir stehen, wenn alles schiefgegangen ist.«
»Warum sollte es schiefgehen?« fragte Daley, aber er lachte dabei, und seine Augenbrauen verzogen sich zu einem dunklen, umgedrehten V. »Ich wollte bloß sagen, daß ich mir Sorgen mache, weil Finn so von ihrer normalen Umgebung abgeschnitten ist, von den Leuten, die sie kennt.«
»Ich empfinde genauso, das kann ich Ihnen versichern.«
»Sie wissen über solche Dinge Bescheid, aber wenn ich nur einen einzigen Vorschlag machen dürfte, dann würde er lauten, daß wir dafür sorgen sollten, daß sie Leute sieht. Falls sie das möchte und die Polizei zustimmt, natürlich.«
»Eine Zeitlang werden wir es langsam angehen, ja?«
» Sie sind die Ärztin«, sagte Daley. »Na ja, ich bin auch Arzt, aber ich meine, Sie sind die Ärztin.«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen«, protestierte ich. »Ich bin Ärztin, und Sie sind Arzt. Und wir werden einfach versuchen, aus dieser dummen und tragischen Situation nach Kräften das Beste zu machen. Einstweilen hätte ich gern die Details der Medikation, Krankengeschichte und dergleichen und Ihre Telefonnummer. Ich möchte mich nicht jedesmal an Baird wenden müssen, wenn ich eine Information brauche.«
»Das ist alles in meiner Tasche im Auto.«
»Noch etwas. Die Situation ist lächerlich vage, also möchte ich eines klarstellen. Ich sage Ihnen, und ich werde es auch Baird sagen, daß ich eine klare zeitliche Begrenzung für all das wünsche.«
Daley sah erstaunt aus.
»Was meinen Sie damit?«
»Wenn die Sache läuft, besteht die Gefahr, daß wir zu einer Art Ersatzfamilie für Finn in ihrem neuen Leben werden. Das ist nicht gut. Welches Datum haben wir heute, den fünfundzwanzigsten Januar, nicht?«
»Den sechsundzwanzigsten.«
»Ich werde Finn ganz klar sagen, was immer auch passiert, wie immer die Dinge sich entwickeln, dieses Arrangement gilt bis Mitte März – sagen wir, bis zum fünfzehnten – und nicht länger. In Ordnung?«
»Gut«, sagte Daley. »Ich bin sicher, daß es sowieso nicht so lange dauert.«
»Gut. Also, gehen wir wieder zu den Damen?«
»Sie halten das wohl für einen Witz, Sam. Warten Sie, bis Sie von den Nachbarn zum Dinner eingeladen werden.«
»Ich freue mich darauf. Mein Make-up steht schon bereit.«
9. KAPITEL
Ich drehte mich zu dem Mädchen um. Bis jetzt hatte ich sie mir noch nicht richtig angesehen. Ihr blasses ovales Gesicht hinter dem Vorhang dunkelbrauner Haare wirkte vollkommen ausdruckslos. Die Augen unter den klar gezeichneten, dichten Augenbrauen waren blicklos. Sie war attraktiv, unter anderen Umständen mochte sie sogar sehr hübsch sein, aber ihr Gesicht schien jeden Ausdruck verloren zu haben.
»Komm, ich zeige dir das Haus«, sagte ich.
Sie stand auf und nahm den kleinen Koffer, der neben ihr stand, obwohl sie zu schwach und lustlos wirkte, um irgend etwas zu tragen.
»Gib mir das. Wir fangen mit deinem Schlafzimmer an, das du ja schon gesehen hast.« Sie zuckte zusammen, als meine Hand die ihre am Griff des Koffers berührte. »Du hast kalte Hände.
Ich stelle gleich die Heizung an. Komm hier entlang.«
Ich ging die Treppe hinauf, und Finn folgte mir gehorsam.
Bisher hatte sie noch kein Wort gesagt.
»So, da sind wir. Tut mir leid, daß hier all die Kartons stehen, aber wir können sie später auf den Speicher bringen.« Ich setzte ihren Koffer neben dem Bett ab, wo er stehenblieb, klein und verloren in dem Zimmer mit der hohen Decke.
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