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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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nach schrecklichen Erlebnissen auch schlechte Träume, zeigten sie Reaktionen oder Vermeidungsverhalten?«
    »Und, hatten sie?«
    »Das weiß Gott allein. Mein Plan ist, die Geschichte dieses Zustands kurz zu umreißen, der oftmals mit falschen Analogien zu sichtbaren physischen Traumata beschrieben wurde. Und dann werde ich die erstaunlichen Widersprüche in Diagnose und Behandlung dieser Störung im heutigen Großbritannien analysieren.«
    »Werden Sie mich als Fallbeispiel nehmen?«
    »Nein. Und jetzt laß uns ein bißchen Geld ausgeben.«

    Wir verbrachten ein paar Stunden wie im Delirium, indem wir in der gepflasterten Fußgängerzone des Einkaufszentrums von Goldswan Green herumliefen. Ich probierte einen absurd aussehenden kleinen Pillbox-Hut mit Schleier an, der perfekt zu einem schwarzen Kleid, schwarzen Strümpfen und schwarzen Schuhen gepaßt hätte, was ich alles nicht besaß. Aber ich kaufte eine marineblaue Samtweste und dachte an ein Paar Ohrringe, bis ich mir klarmachte, daß der Sinn unserer Expedition darin bestand, Finn auszustatten und nicht mich; ich wandte meine Aufmerksamkeit also ihr zu. Wir fanden einen großen Laden und kleideten sie von Grund auf ein: Socken, Unterhosen, Unterhemden, T-Shirts, zwei Jeans – eine schwarz, eine blau.
    Ich tendiere eher dazu, hastig herumzugehen und mehr oder weniger im Schnellverfahren einzukaufen, aber Finns Ernsthaftigkeit und Genauigkeit beeindruckten mich. Ihre Wahl hatte nichts Frivoles oder Leichtfertiges. Sie suchte ihre Kleider mit der Präzision eines Menschen aus, der sich darauf vorbereitet, einen Berg zu besteigen, wo jedes überflüssige Gramm Gewicht eine Belastung darstellt.
    Während wir durch das Geschäft schlenderten, fiel mir auf, daß eine andere Frau uns beobachtete. Ich fragte mich, ob das daran lag, daß wir so viel kauften, und vergaß sie schließlich, bis ich hinter mir eine Stimme hörte.
    »Bist du nicht, Sam, oder irre ich mich?«
    Ich drehte mich um und hatte nicht das Gefühl, sie zu kennen.
    Die Frau war mir irgendwie vertraut, aber ich wußte nicht, wo ich sie unterbringen sollte.
    »Hallo …«
    »Ich bin Lucy, Lucy Myers.«
    »Hallo …«
    »Aus Barts.«
    Jetzt wußte ich, wer sie war. Christian Society. Eine Brille, die sie nicht mehr trug. Sie hatte Pädiatrie belegt.
    »Lucy, wie geht es dir? Tut mir leid, ich habe dich nicht sofort erkannt. Das muß an deiner Brille liegen, die du nicht mehr trägst.«
    »Ich war auch nicht ganz sicher, ob du es bist, Sam, wegen deiner Haare. Sie wirken richtig … richtig …« Lucy suchte nach dem passenden Wort. »Mutig«, sagte sie verzweifelt.
    »Interessant, meine ich. Aber ich weiß alles über dich. Du bist jetzt am Stamford General.«
    »Richtig, du auch?«
    »Ja, seit Jahren. Ich bin dort in der Gegend aufgewachsen.«
    »Oh.«
    Eine Pause trat ein. Lucy sah Finn erwartungsvoll an.
    »Oh«, sagte ich. »Das ist Fiona. Jones. Wir arbeiten zusammen.«
    Sie nickten einander zu. Ich wollte das nicht in die Länge ziehen.
    »Also, Lucy, schön, dich zu sehen. Wenn du im Krankenhaus bist, müssen wir, weißt du …«
    »Ja.«
    »Also, ich muß weiter einkaufen.«
    »Ja.«
    Lucy wandte sich ab.
    »Sie waren nicht sehr nett zu ihr«, flüsterte Finn mir zu, während wir ein paar Strickjacken betrachteten.
    »Sie war keine Freundin, wir waren bloß im gleichen Studienjahr. Ich möchte auf keinen Fall, daß wir hier draußen mitten in der Wildnis plötzlich als Seelenfreundinnen gelten.«
    Finn kicherte.
    »Und ich sehe Leute gern nur auf Verabredung«, fügte ich hinzu.
    »Hier.« Ich hielt ihr eine graue Strickjacke vor. »Ich befehle dir, die zu kaufen.«
    »Kaufen Sie sie für sich.«
    »Wenn du meinst.«

    Ich lag mit offenen Augen in der Dunkelheit im Bett.
    Übermorgen war Valentinstag. Würde Danny mit einer roten Rose, einem sarkastischen Lächeln, einem ärgerlichen Wort und einem freundlichen Blick erscheinen? Würde er überhaupt je wiederkommen? Oder hatte ich ihn verloren, achtlos, ohne es wirklich zu wollen, nur weil ich nicht in seine Richtung geschaut hatte? Ich würde ihm morgen schreiben, nahm ich mir vor, ich würde die Dinge wieder in Ordnung bringen, und mit diesem Vorsatz schlief ich ein.

    15. KAPITEL
    Als ich am Mittwoch, in Dannys Morgenrock gehüllt, den er bei seinem hastigen Aufbruch vergessen hatte, die kalte Treppe heruntergeschlurft kam, hatte ein Brief auf der Fußmatte gelegen. Aber für den Postboten war es zu früh, und das »SAM«
    auf dem Umschlag,

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