Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
mit blauem Filzstift geschrieben, zeigte, daß er von Elsie stammte und nicht von Danny. Nachdem der Thermostat hochgedreht und der Wasserkessel aufgesetzt war, hatte ich mit dem Finger den zugeklebten Umschlag aufgerissen.
    Sie hatte ein rosa Herz aus Kreppapier auf eine weiße Karte geklebt. In der Karte stand in schiefen Buchstaben, die Elsie gemalt hatte, zweifellos nach Finns Diktat: »Alles Gute zum Valentinstag. Wir lieben Dich.«
    Das »Wir« hatte mich irritiert, aber auch gerührt. In einem Augenblick der Schwäche hatte ich Elsie gestattet, mit einer weiteren, nicht sehr schweren Erkältung zu Hause zu bleiben, und wir hatten zu dritt am Küchentisch gesessen und Reiscrispies und Toast gegessen. Von Danny war nichts gekommen – keine Karte, kein Anruf, kein Zeichen, daß er an mich dachte. Ich wünschte, ich hätte ihm den gestrigen, ziemlich groben Brief nie geschickt. Nun ja, wem lag denn überhaupt etwas am Valentinstag? Mir.
    Am Vormittag hatten wir im Haus herumgewerkelt. Eine Weile sah Finn das Bündel von Briefen durch, die Angeloglou am Vortag vorbeigebracht hatte – Briefe, die Freunde ihr geschrieben und bei der Polizei abgegeben hatten, damit sie sie ihr zustellte. Es war ein ziemlich dickes Päckchen, das sie ein bißchen geheimniskrämerisch auf den Knien hielt. Ich beobachtete sie sehr genau, um zu sehen, ob sie sich aufregte, aber sie blieb seltsam unberührt. Es war fast, als hätte sie kein Interesse an den Briefen. Nach kurzer Zeit schob sie alle wieder zusammen und trug sie nach oben in ihr Zimmer. Sie erwähnte sie mir gegenüber nie, und ich sah auch nicht, daß sie sie noch einmal zur Hand nahm.
    Inzwischen war Finn fasziniert vom Thema Trauma, vielleicht auch von sich selbst, und ich erzählte ihr von den Anfängen, von abnormer Angst vor Eisenbahnfahrten und vom Granatschock und daß die Ärzte im Ersten Weltkrieg gedacht hatten, das sei die Folge von Artillerieeinschlägen. Finns Interesse amüsierte mich; ich war nur ein bißchen darüber besorgt, ob die Beschäftigung mit ihrem eigenen Zustand ihr nicht schadete.
    Wir wollten zu einem Spaziergang aufbrechen, sobald der Regen nachließ. Aber der Regen ließ nicht nach. Er wurde immer stärker und dichter, und die Fenster waren jetzt beinahe undurchsichtig, als wohnten wir hinter einem Wasserfall.
    »Es ist, als wären wir in einer Arche«, sagte ich, und natürlich wollte Elsie wissen, was eine Arche sei. Wo sollte ich anfangen?
    »Das ist eine Geschichte«, sagte ich. »Vor langer Zeit kam Gott – in der Geschichte hatte er vorher die Welt gemacht – zu dem Entschluß, die Welt sei nicht gut geworden und alle Menschen würden sich schlecht benehmen. Also beschloß er, es regnen und regnen und regnen zu lassen, bis die ganze Welt unter Wasser stand, und so alle umzubringen …«
    Ich unterbrach und schaute ängstlich zu Finn hinüber, die ausgestreckt auf dem Sofa lag. Schon allein das Aussprechen dieses Worts schien taktlos. Wie hatte sie es aufgenommen?
    Finn sah mich nicht an. Sie blickte zu Elsie hinüber, rollte sich vom Sofa auf den Boden und kroch zu Elsie, die neben ihrer Spielzeugkiste saß.
    »Aber er hat nicht alle umgebracht«, sagte Finn. »Da gab es einen Mann, der hieß Noah, und Noahs Frau und seine Kinder, und Gott hatte sie lieb. Darum sagte Gott zu Noah, er solle ein ganz großes Boot, eine Arche, bauen und alle Tiere auf das Boot bringen, damit sie gerettet werden könnten. Also baute Noah die Arche und brachte alle Tiere hinein, die er finden konnte. Hunde und Katzen zum Beispiel.«
    »Und Löwen«, sagte Elsie. »Und Pandabären. Und Haifische.«
    »Haifische nicht«, sagte Finn. »Den Haifischen ging es gut.
    Die konnten ja schwimmen. Aber die anderen, die Familie und die Tiere … die blieben alle in der Arche. Und es regnete und regnete, und die ganze Welt stand unter Wasser, und sie blieben heil und trocken.«
    »Hatte sie ein Dach?«
    »Ja. Die Arche war wie ein Haus auf einem Boot. Und am Ende, als das Wasser wieder fort war, versprach Gott, er würde es nie wieder tun. Und weißt du, was er getan hat, um sein Versprechen zu bekräftigen?«
    »Nein«, sagte Elsie mit offenem Mund.
    »Schau, ich werde es dir zeigen. Wo sind deine Filzstifte?«
    Finn griff in Elsies Spielkiste und nahm ein paar Stifte und ein Blatt Papier heraus. »Mal sehen, ob du raten kannst, was ich zeichne.« Sie zeichnete eine zinnoberrote Kurve. Dann zog sie darüber eine gelbe Linie und über dieser eine blaue.
    »Ich weiß

Weitere Kostenlose Bücher