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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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den Teller zu ihr hinüber, und sie begann zu essen, ganz aufgeregt von der Neuheit dessen, was sie da versuchte.
    Mehrere Minuten lang sprach keine von uns ein Wort. Mir genügte es, sie essen zu sehen.
    »Vielleicht habe ich jetzt zuviel gegessen«, sagte Finn, als die beiden Teller leer waren.
    »Soviel war es gar nicht. Eigentlich nur das, was ich übriggelassen habe. Möchtest du Kaffee?«
    »Ja. Mit Milch.«

    »Gut, Finn. Noch ein bißchen Eiweiß und Kalzium. Wir können anfangen, dich aufzupäppeln.«
    Sie begann zu lachen, hielt dann aber inne.
    »Warum hat sie es getan?«
    »Wer? Mrs. Ferrer?« Ich zuckte mit den Schultern, und dann machte ich einen Versuch. »Sie wollte dich besuchen kommen, weißt du. Sie wollte nach Spanien zurück, aber vorher wollte sie dich gern sehen.«
    Ich erinnerte mich an ihr hektisches Verlangen, das »kleine Mädchen« zu sehen – und dann dachte ich daran, wie sie in ihrem farbenfrohen Pullover tot auf dem Bett gelegen hatte.
    Finns Gesicht verdüsterte sich. Sie schien durch mich hindurch auf etwas sehr Fernes zu blicken.
    »Ich wünschte – das glaube ich jedenfalls –, daß sie es getan hätte. Ich hätte sie gern gesprochen. Es war der Horror vor dem, was sie gesehen hat, nehme ich an.«
    »Irgend etwas muß es gewesen sein«, sagte ich abwesend.
    »Sie hören sich argwöhnisch an.«
    »Das wollte ich nicht.«
    »Meinen Sie, daß ich dumm war? Wegen dem Feuer?«

    An diesem chaotischen Samstag nachmittag war Danny kurz nach Rupert und Bobbie gegangen – er hatte seine Reisetasche und die Schultertasche genommen, Michael und Finn ignoriert und mir kurz zugenickt. Als ich versuchte, ihn zurückzuhalten (»Ich weiß, daß es nicht ideal ist, aber laß uns später darüber reden«), hatte er müde gesagt, er habe drei Tage darauf gewartet, mit mir zu reden, und ich sei bloß schnippisch und feindselig gewesen, und ob ich inzwischen nicht gemerkt hätte, daß mein »Später« niemals kam. Außerdem habe er ohnehin in London zu tun. Worauf ich kindisch zischte, daß er sich wie ein Baby benehme. Dann war er in einer Abgaswolke verschwunden. Das wurde zur Gewohnheit. Weder Finn noch Michael sagten irgend etwas dazu, und Elsie schien kaum zu bemerken, daß er nicht mehr da war. Mrs. Ferrers Tod, meine Konzentration auf Finn, all das hatte ihn an die Peripherie meines Bewußtseins gedrängt. Dann, am folgenden Sonntagmorgen, war plötzlich Michael Daley aufgetaucht. Ich war im Garten und sammelte Bretter, Holzreste und abgebrochene Äste für ein Feuer, als sein Audi in die Einfahrt bog. Er kam nicht zu mir herüber, sondern nahm ungefähr ein Dutzend oder mehr Einkaufstüten von Waitrose aus dem Kofferraum. Kaufte er jetzt unsere Lebensmittel ein?
    Doch dieses Glück war uns nicht beschieden. Er hatte ein paar von Finns Kleidern mitgebracht, die die Polizei aus dem Haus freigegeben hatte.
    »Wo soll ich das alles hintun?« fragte ich, als wir die Tüten über den Weg in den Flur trugen.
    »Ich dachte, das wäre vielleicht ein Schritt in die Normalität«, sagte Daley.
    »Ich habe mich schon gefragt, wie lange Finn wohl in meinen aufgekrempelten Jeans herumlaufen muß.«
    »Tut mir leid, daß ich nicht bleiben kann«, sagte Daley.
    »Grüßen Sie sie von mir?«
    »Grüße«, sagte ich. »Ich weiß nie, was das ist.«
    »Sie können sich etwas ausdenken.«
    »Sind Sie in Ordnung?«
    »Was meinen Sie?«
    »Sie haben noch eine Patientin verloren.«
    »Soll das ein Scherz sein?« fragte er scharf und schwieg dann.
    Er ging, ohne Finn gesehen zu haben. Ich rief sie nach unten.
    »Sieh mal, was der Arzt dir gebracht hat«, sagte ich.
    Sie war sichtlich verblüfft. Sie zog eine braune, zerknitterte Samtbluse aus einer der Tüten und hielt sie hoch.

    »Ich habe draußen zu arbeiten«, sagte ich. »Ich verbrenne so ungefähr alles, was sich im Garten bewegen läßt. Wenn du willst, lasse ich dich jetzt allein, damit du deine Sachen durchsehen kannst.«
    Sie nickte, sagte aber nichts. Ich ging, und als ich mich noch einmal umschaute, bevor ich die Haustür schloß, sah ich sie im Flur knien und den Samt an ihre Wange drücken, als wäre sie ein kleines, verlorenes Kind.
    Gärtnern wird mir immer ein Geheimnis bleiben, aber ich zünde gern Feuer an. Es hatte geregnet, und es war nicht einfach, aber das machte die Sache nur spannender. Ich hatte Zeitungspapier zu Bällen zusammengeknüllt und an verschiedenen Stellen auf der Windseite meines Müllhaufens verteilt. Ich zündete sie an,

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