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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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landete zwischen meinen Füßen.
    »Sie wissen schon, Fiona Mackenzie, deren Eltern beide …«
    »Ach, Finn.« Er dachte einen Augenblick nach. »Ziemlich nettes Mädchen, nicht so laut wie manche, oder frech. Cleo hat sie natürlich nicht mehr gesehen, seit sie fortging, aber ich glaube, sie hat bei der Polizei einen Brief für sie abgegeben.«
    Ich versuchte, Näheres von ihm zu erfahren.
    »Schwieriges Alter, nicht? Die ersten Liebschaften, Partys, all das.«
    Diese Bemerkung warf ich ein und schloß dann fest den Mund, als sei sie nicht von mir gekommen.
    »Liebschaften? Oh, ich glaube nicht, daß sie so etwas hatte.
    Nein, wie ich schon sagte, sie war sehr angenehm und höflich; ein bißchen unter Leos Knute, habe ich immer gedacht. Nettes Mädchen, wie ich schon sagte.«
    Das war alles. Das Essen wurde um halb zehn serviert.
    Wildpastete und grüner Salat, kleine Halbmonde aus Brandteig, mit Fisch gefüllt, Hähnchen-Satay an Spießen, viele verschiedene Käse, die, auf einem großen Holzbrett arrangiert, wunderbar aussahen, eine übervolle Schüssel mit Mandarinen.
    Ich trank und aß und nickte und lächelte, und die ganze Zeit dachte ich daran, daß Finn in diesem Haus gewesen sein mußte
    – wie war es möglich, daß sie aus dieser feinen Gesellschaft stammte und sich doch so leicht in meine Welt einfügte? Ich saß auf einem gelb bezogenen Stuhl, den Teller auf den Knien, und einen Moment lang überkam mich das quälende, vertraute Gefühl, nicht dazuzugehören, nicht hierher, nicht in die Doppelhaushälfte, in der ich aufgewachsen bin und der ich entkommen wollte, und jetzt (ich spürte eine Art Panik) auch nicht in mein eigenes Haus, wo ein junges Mädchen mit weichem Haar auf meine Tochter aufpaßte und ihr Schlaflieder vorsang, wie das eigentlich nur Mütter tun sollten. Wenn ich allein gewesen wäre, hätte ich vielleicht sogar die Arme um meinen Körper geschlungen und mich in der uralten Geste der Verzweiflung gewiegt, die ich oft bei meinen Patienten sah. Ich wollte Elsie, ich wollte Danny, und sie waren alles, was ich wollte. »Scheiße, Danny, ich werde nicht rumsitzen und Trübsal blasen«, murmelte ich unhörbar.
    » Clockwork Orange. «
    »Was?« Ich runzelte die Stirn und sah mich um, unsanft aus meinen Gedanken gerissen. Es war der Mann mit den kurzgeschorenen Haaren.
    »Ihre Aufmachung. Sie sind als Figur aus Clockwork Orange gekommen.«
    »Nie gesehen.«
    »Das war ein Kompliment. Sie sehen aus wie eine der Gestalten, die in das Haus ahnungsloser, ehrbarer Leute eindringen und sie ein bißchen aufmischen.«
    Ich sah mich im Raum um.
    »Sie meinen, daß die Leute hier das nötig hätten?«

    Er lachte.
    »Sie können mich einen schlappschwänzigen Liberalen nennen, aber nach so einem Abend fange ich an zu denken, daß die Roten Khmer die richtige Idee hatten. Alle Städte ausradieren. Alle umbringen, die Brillen tragen. Den Rest hinaus auf die Felder treiben und körperlich arbeiten lassen.«
    »Sie tragen selbst eine Brille.«
    »Nicht die ganze Zeit.«
    Ich sah den Mann an, und er sah mich an. Nach dreißig Sekunden Bekanntschaft hätte ich gesagt, er sei der attraktivste Mann, den ich kennengelernt hatte, seit ich aus London weggezogen war. Er hob sein Glas zu einem ironischen Toast, und dabei sah ich seinen Ehering. Aha.
    »Sie sind eine Freundin von Dr. Michael Daley.«
    »Freunde sind wir eigentlich nicht.«
    »Der jagende Arzt.«
    »Was?«
    »Na, Sie haben doch sicher von den fliegenden Ärzten gehört.
    Und vom funkenden Arzt. Und von der singenden Nonne.
    Michael Daley ist der jagende Arzt.«
    »Was meinen Sie?«
    »Was ich sage. Er reitet Pferde, die wilden Tieren nachsetzen, die manchmal eingefangen und zerrissen werden. Und dann schmieren sich die triumphierenden Jäger gegenseitig die Eingeweide dieser Tiere ins Gesicht. Noch eine von diesen ländlichen Traditionen, über die man Sie belehrt hat.«
    »Ich wußte nicht, daß Michael das tut. Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, daß er auf die Jagd geht.«
    »Ich heiße übrigens Frank.«
    »Ich bin …«
    »Ich weiß, wer Sie sind. Sie sind Dr. Samantha Laschen. Ich habe einige Ihrer sehr interessanten Artikel über Krankheitsstrukturen gelesen. Und ich weiß, daß Sie die neue Trauma-Station am Stamford General einrichten. Die potentielle neue Melkkuh des Stamford-Trusts.«
    »Das ist eigentlich nicht der Sinn der Sache«, sagte ich, so schroff ich konnte und mit unbeweglichem Gesicht. Franks zweideutige Bemerkungen und

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