Ein sicheres Haus
von mir abhängig war, obwohl ich mir andererseits fest vorgenommen hatte, sie in zwei Wochen wegzuschicken.
»Ich werde ihn anrufen.«
»Und Danny?«
»Danny diesmal vielleicht nicht.«
Für einen kurzen Augenblick sah ich Dannys Nachtgesicht, zärtlich und stopplig und ganz ohne seine tagsüber zur Schau getragene Ironie – das Gesicht, von dem ich hoffte, daß nur ich es kannte –, und ich spürte ein panikartiges Verlangen nach ihm.
Ich wußte nicht einmal, wo er sich aufhielt. Ich wußte nicht, ob er in London oder anderswo war. Was in aller Welt machte ich überhaupt in dieser sumpfigen Einöde, warum kümmerte ich mich um ein verstörtes Mädchen, während ich meinen Geliebten verlor?
Das unbehagliche Gefühl hielt den ganzen Tag über an wie schlechtes Wetter und wollte nicht einmal vergehen, als ich zur Schule fuhr, um Elsie abzuholen. Sie war ebenfalls mürrisch, und ich versuchte sie aufzuheitern, indem ich ihr erzählte, daß Finn und ich eine Kirche besichtigt hatten, die früher ein geheimes Piratenlager war, wo sie den Schatz versteckten, den sie von ihren Piratenschiffen an Land geschmuggelt hatten.
»Was für einen Schatz?« fragte Elsie.
»Goldene Kronen und Perlenketten und silberne Ohrringe«, sagte ich. »Und dann vergruben sie alles und zeichneten eine Karte, die sie mit ihrem eigenen Blut unterschrieben.«
Als wir nach Hause kamen, war Elsie entschlossen, ihre eigene Schatzkarte zu zeichnen. Finn und ich saßen mit unseren Kaffeebechern in der Küche, während Elsie sich über den Tisch beugte, die Stirn gerunzelt, die Zungenspitze zwischen den Lippen, und nahezu jede Farbe aus der bunten Auswahl ihrer Malstifte verwendete. Das Telefon läutete. Linda nahm ab.
»Es ist für Sie!« rief sie von oben.
»Wer ist es?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie.
Ich schnaubte und nahm den Hörer im vorderen Zimmer ab.
»Ist da Dr. Laschen?«
»Ja, wer ist am Apparat?«
»Frank Laroue. Es hat mich gefreut, Sie am Samstag kennengelernt zu haben, und ich hatte gehofft, wir könnten uns wiedersehen.«
»Ja, das wäre nett«, sagte ich gleichmütig, während sich meine Gedanken überschlugen. »Was würden Sie gern unternehmen?«
»Ich hätte gern, daß Sie mich zum Tee in Ihr neues Haus einladen. Ich sehe immer gern die Häuser von Leuten.«
»Und Ihre Frau?«
»Meine Frau ist verreist.«
»Ich fürchte, mein Haus ist im Moment noch nicht in dem Zustand, um es irgend jemandem vorzuführen. Wie wär’s mit einem Drink in der Stadt?«
Wir einigten uns auf Zeit und Ort und hängten ein, bevor ich die Möglichkeit hatte, es mir anders zu überlegen. Ich fragte mich, ob ich es Michael Daley sagen sollte, verwarf den Gedanken aber rasch. Ich würde auf sein Boot mitkommen. Das war genug. Ich schuldete mir selbst ein bißchen Spaß, und zum Teufel mit Danny.
»Wir sind wie drei Piraten, nicht, Elsie?« sagte Finn, als ich wieder in der Küche auftauchte. »Mummy und ich und du.«
»Ja«, sagte Elsie.
»Ist es fertig?«
»Ja.«
Sie lachte.
»Sollen wir deinen Schatzplan jetzt alle unterschreiben, du und ich und Finn?«
Elsies Augen leuchteten.
»Ja-a-a-a!« rief sie begeistert.
»Dann laß uns den roten Stift suchen.«
»Nein«, sagte Elsie. »Blut. Mit Blut unterschreiben.«
»Elsie!« sagte ich scharf und sah ängstlich zu Finn hinüber.
Sie stand auf und verließ den Raum. »Elsie, so etwas darfst du nicht sagen.«
Finn kam in die Küche zurück und setzte sich neben mich.
»Schauen Sie«, sagte sie. Sie hielt eine Nadel zwischen Daumen und Zeigefinger und lächelte. »Ist schon in Ordnung, Sam. Es geht mir besser. Noch nicht toll, aber besser. Sieh mal, Elsie, es ist ganz einfach.« Sie stach mit der Nadel in die Spitze ihres linken Daumens, beugte sich dann vor und drückte einen roten Tropfen auf Elsies Karte. Mit dem Nadelöhr malte sie aus dem Tropfen etwas, das halbwegs wie ein F aussah. »Jetzt Sie, Sam.«
»Nein, ich hasse Nadeln.«
»Sie sind Ärztin.«
»Deswegen bin ich ja Ärztin geworden, da kann ich Nadeln in andere Leute stechen.«
»Ihre Hand«, sagte Finn entschlossen. »Ist schon gut, ich nehme eine neue für Sie.« Widerstrebend streckte ich die linke Hand aus und zuckte zusammen, als sie mir in die Daumenspitze stach. Sie drückte das Blut auf das Papier.
»Und jetzt soll ich wohl Samantha schreiben«, brummte ich.
»Ein S reicht«, lachte Finn.
Ich schrieb mit meinem Blut ein S.
»Und jetzt Elsie«, sagte Finn.
»Ich nehme Mummys Blut«, sagte Elsie
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