Ein sicheres Haus
kehrte ich in mein Arbeitszimmer zurück, nahm den Telefonhörer ab und drückte dreimal auf den Knopf.
»Stamford Central 2243.« Eine Pause folgte. »Chief Inspector Frank Baird, bitte. Nun, dann holen Sie ihn.«
Baird kam nach weniger als einer halben Stunde; Angeloglou begleitete ihn. Beide sahen erregt und ernst aus. Sie konnten mir kaum in die Augen schauen. Plötzlich fiel mir der Kontrast zwischen ihnen auf. Baird war massig, hatte rote Haare auf einem großen Schädel, und sein Anzug spannte unter den Armen. Angeloglou sah ordentlicher aus, sein Krawattenknoten saß ganz oben am Kragen, er hatte volle, dunkle Locken. Wie bürstete er die? Beide schienen plötzlich vor mir auf der Hut zu sein. Ich war jetzt keine professionelle Ärztin mehr, sondern eine sitzengelassene Frau. Und obwohl sie es nicht sagten, dachten offensichtlich beide, Danny sei fast so etwas wie ein Krimineller, weil er mit Finn durchgebrannt war. Ich konnte ihnen nicht viel sagen, die Geschichte war einfach genug. Jeder Dummkopf konnte sie verstehen. Angeloglou schrieb einiges in sein Notizbuch, sie lasen die Briefe, die die beiden hinterlassen hatten, und zusammen gingen wir in Finns Zimmer und starrten in den Kleiderschrank. Zwischen all den leeren Bügeln baumelte eine Bluse; keine Unterwäsche, keine Schuhe, nichts. Sie hatte das Zimmer ordentlich hinterlassen, ein einziges zusammengeknülltes Papiertaschentuch lag im Abfallkorb, die Daunendecke war gefaltet. Ich fürchte, ich war ziemlich unfreundlich zu Baird, aber ich glaube, er verstand es. Ehe er ging, blieb er an der Tür stehen, drehte den schlichten Ehering an seinem dicken Finger, wurde rot vor Verlegenheit.
»Miss Laschen …«
»Doktor Laschen …«
»Doktor Laschen, ich …«
»Sagen Sie nichts«, sagte ich. »Aber trotzdem, danke.«
Mir blieben noch dreißig Minuten, bis Elsie kam. Ich räumte die Küche auf, wischte den Tisch sauber, öffnete das Fenster, weil draußen inzwischen ein milder Frühlingstag herrschte. Ich pflückte vier orangefarbene Tulpen aus meinem vernachlässigten Garten und stellte sie ins Wohnzimmer. Ich lief in Elsies Zimmer und machte ihr Bett, dann schlug ich das Laken zurück und legte ihren kahl werdenden Teddy auf das Kopfkissen. Danach kramte ich in den Küchenschränken nach einem Abendessen für sie. Nudeln in Igelform, die liebte sie.
Und ich hatte doch im Supermarkt dieses Eis gekauft. Ich putzte mir im Badezimmer die Zähne und starrte auf das Gesicht, das mir aus dem Spiegel entgegenblickte. Ich lächelte ihm zu, und gehorsam lächelte es zurück.
Elsie aß ihre Nudeln und das Eis und nahm anschließend ein Schaumbad. Dann spielten wir ein ziemlich tristes Scharadenspiel, und ich las ihr drei Bücher vor. Dann sagte sie:
»Wo ist Fing?«
Was hatte ich mir vorgenommen zu antworten?
»Sie ist im Augenblick nicht da.« Nein, das war es nicht.
»Finn ist fortgegangen, mein Schatz. Sie sollte doch nur ein Weilchen bleiben. Sie muß ihr eigenes Leben führen.«
»Aber sie hat sich nicht verabschiedet.«
»Sie hat gesagt, ich soll dir von ihr auf Wiedersehen sagen«, log ich.
»Sie schickt dir einen Kuß.« Ich küßte Elsies Stirn und ihr weiches, glänzendes Haar. »Und eine Umarmung.« Ich umarmte Elsie und spürte, wie sich ihre Schultern unter meinen nervösen Händen versteiften.
»Aber wo ist sie hingegangen?«
»Nun ja, tatsächlich« – schreckliche Fröhlichkeit in meiner Stimme – »wird sie ein Weilchen bei Danny bleiben. Das ist doch schön, nicht?«
»Aber Danny gehört uns. «
»Ach, mein Schatz, wir gehören uns sowieso.«
»Mummy, nicht so fest drücken.«
Nachdem Elsie schlief, nahm ich ein ausgedehntes Bad. Als ich im heißen Wasser lag, dachte ich an Danny und Finn. Ich stellte sie mir vor. Ihr glatter junger Körper mit seinem starken verschlungen; der Pfeil aus dunklen Haaren auf seiner Brust; ihre zarten Brüste. Ich stellte mir ihre Beine vor, ihre bleich, seine behaart und muskulös, die auf meinem Bett ineinander verhakt waren; Dannys einfühlsame Füße, deren zweiter Zeh viel länger war als der große, unter ihre Wade gehakt. Hatte er sie mit dem gleichen Ernst betrachtet, mit dem er mich anzusehen pflegte? Natürlich hatte er. Sie liebten sich, oder, das hatte Finn doch geschrieben. Sie mußten es sich auch gesagt haben. Wie hatte mir das entgehen können? Selbst jetzt sah ich es noch nicht richtig; wenn ich rückblickend die Wochen betrachtete, war es, als wäre auf einmal Dunkelheit
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