Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
Keiner würde mich dabei ertappen, daß ich Schwäche zeigte. Ich faßte Elsie unter den Achseln, warf sie hoch und ließ sie wieder fallen. Sie kreischte vor Schreck und Vergnügen.
    »Noch mal, Mummy. Noch mal.«
    Aus unserem gemeinsamen Frühstück machte ich ein Erlebnis.
    Schinken und Eier, Toast und Marmelade und eine Grapefruit, und Elsie aß ihre Hälfte und stibitzte dann begeistert noch Teile von meiner. Ich trank Kaffee. Um halb neun fuhr ich Elsie zur Schule.
    »Wie sieht dieser Baum aus?«
    »Wie ein Mann mit grünen Haaren und einem grünen Bart.
    Wie sieht der Baum aus?«
    »Baum habe ich schon gesagt.«
    »Nein, ich, ich.«
    »Also gut, Elsie. Er sieht aus … Bei diesem Wind sieht er aus wie eine grüne Wolke.«
    »Nein, tut er nicht.«
    »Tut er doch.«
    »Tut er nicht.«
    »Tut er doch.«
    »Tut er nicht.«
    Das Spiel endete in einem Crescendo von Lachen und gegenseitigem Widersprechen.

    Auf dem Rückweg sah ich die Wolken deutlicher, und die Gebäude hoben sich klarer vom Himmel ab. Ich hatte ein Gefühl der Entschlossenheit. Ich würde mich um Elsie kümmern, und ich würde arbeiten. Alles andere war Zeitverschwendung. Ich machte mir frischen Kaffee und ging nach oben in mein Arbeitszimmer. Auf dem Computer löschte ich alles, was ich bisher geschrieben hatte. Es war Mist, das nutzlose Produkt halbherziger Aktivität. Ich sah mir eine Datei an, um mich an einige Zahlen zu erinnern, schloß sie dann wieder und begann zu schreiben. Ich hatte ohnehin alles im Kopf. Die Quellenangaben konnte ich hinterher prüfen. Ich schrieb fast zwei Stunden lang, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden. Es flutschte nur so, und ich wußte, daß die Sätze gut waren. Wie Gott bei der Erschaffung der Welt. Um kurz vor elf hörte ich, wie die Haustür geöffnet wurde. Sally. Es war ohnehin Zeit, meinen Becher mit Kaffee aufzufüllen. Bis das Wasser im Kessel kochte, gab ich ihr eine kurze, zensierte Zusammenfassung dessen, was passiert war. Meine Stimme war ruhig, meine Hände zitterten nicht, und ich wurde auch nicht rot. Sie interessierte sich nicht sonderlich dafür, und ich interessierte mich nicht dafür, was sie dachte. Sam Laschen hatte wieder die Kontrolle. Sally begann zu putzen, und ich ging wieder nach oben. Zur Mittagszeit kam ich für fünf Minuten herunter. Im Kühlschrank stand noch eine halbe Packung Lasagne. Ich aß sie kalt. Die Ära richtiger Ernährung war vorbei. Nach einer weiteren Stunde hatte ich ein Kapitel beendet. Ich klickte ein paarmal mit der Maus. Viereinhalbtausend Wörter. In diesem Tempo würde das Buch in ein paar Wochen fertig sein. Ich griff in meinen Aktenschrank und nahm zwei Ordner mit Datenmaterial heraus. Ich arbeitete sie sehr schnell durch, um meine Erinnerung aufzufrischen. Es dauerte nur ein paar Minuten, dann standen sie wieder im Schrank. Ich legte eine neue Datei an: Kapitel zwei. Definitionen der Heilung.
    Eine Bewegung fiel mir ins Auge. Draußen. Ein Auto. Baird und Angeloglou stiegen aus. Einen Moment lang nahm ein Teil von mir an, es müsse sich um eine Art Erinnerung oder Halluzination handeln. Das war gestern geschehen. Mußte ich diesen schrecklichen Alptraum noch einmal durchleben? Es klopfte an der Tür. Nur eine Routineangelegenheit, ein Formular, das ich unterschreiben mußte oder so.
    Als ich die Tür öffnete, sahen sie sich gegenseitig vielsagend an.
    »Ja?« sagte ich.
    »Wir dachten, Sie hätten vielleicht etwas gehört«, sagte Baird.
    »Danny hat nicht angerufen, und wenn er es tut, verdammt …«
    Wieder sahen die beiden Polizisten sich an. Was war los?
    »Das haben wir nicht gemeint. Können wir hereinkommen?«
    sagte Baird und versuchte vergeblich, beiläufig zu klingen.
    Keine Spur von dem üblichen Lächeln und Zwinkern. Baird sah aus wie ein Mann, der professionelles polizeiliches Verhalten imitiert. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, obwohl es kalt war.
    »Was soll das?«
    »Bitte, Sam.«
    Ich führte sie hinein, und sie saßen wie Plisch und Plum nebeneinander auf meinem Sofa. Baird strich sich mit der rechten Hand über den behaarten Rücken der Linken. Ein Mann, der im Begriff stand, eine Rede zu halten. Angeloglou verhielt sich still und wich meinem Blick aus. Seine Wangenknochen traten hervor, so sehr mußte er sich beherrschen.
    »Bitte, setzen Sie sich, Sam«, sagte Baird. »Ich habe schlechte Neuigkeiten für Sie.« Noch immer fingerte er an seiner Hand herum. Die Härchen darauf waren leuchtendrot, röter als die auf seinem

Weitere Kostenlose Bücher