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Ein sicheres Haus

Titel: Ein sicheres Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Liebhaber – der einzige andere Mann, den ich je wirklich geliebt hatte – umgebracht.
    Die Ermahnungen der Leute, ich solle mir nicht die Schuld daran geben, klangen immer besorgter. Dannys Beerdigung fand am nächsten Tag statt, aber ich würde nicht daran teilnehmen.
    Er war in den Armen einer anderen Frau gestorben, oder? Er hatte mich einfach verlassen. Bei dem Gedanken an Danny und Finn wurde mir ganz heiß. Ich fühlte mich benommen; eine Stimmung aus Erregung und Verzweiflung überkam mich.
    Einen Moment lang war mir richtig schlecht vor Eifersucht und hoffnungslosem Verlangen.

    »Also, ich gehe jetzt, Sally«, sagte ich ein paar Minuten später.
    »Wenn ich wiederkomme, sind Sie schon weg, ich habe deshalb das Geld auf den Kaminsims gelegt. Danke, daß alles immer soviel besser aussieht, wenn Sie hier waren.«
    »Gehen Sie nicht zur Arbeit?« Sally schaute auf meine ausgewaschene Bluejeans, die an einem Knie zerrissen war, und meine abgenutzte Lederjacke.
    »Ich gehe segeln.«
    Sie zog ein Gesicht. Mißbilligung?
    »Schön«, sagte sie.

    Die beiden Ärzte Finns, die eine, die sie eigentlich beschützen sollte, der andere, der einzige Begünstigte ihres Testaments, hatten einander auf der kurzen Fahrt zum Meer nicht viel zu sagen. Michael schien beunruhigt, und ich schaute aus dem Fenster, ohne etwas zu sehen. Als der Wagen langsamer wurde, wandte Michael sich zu mir.
    »Sie haben vergessen, Ihren Gummianzug anzuziehen«, sagte er.
    Er lag in einer Tragetüte zwischen meinen Füßen.
    »Sie haben vergessen, mir zu sagen, daß ich ihn anziehen soll.«
    Schweigend fuhren wir weiter. Ich hielt nach dem Meer Ausschau. Der Tag war sehr grau. Der Wagen bog in einen schmalen Pfad zwischen hohen Hecken ein. Ich sah Michael fragend an.
    »Ich habe das Boot näher zum Bootshaus gebracht.«
    Ich hatte das Gefühl, durch einen Tunnel zu fahren, und war erleichtert, als wir wieder ins Freie kamen. Ich erkannte einige Boote. Als der Wagen hielt, hörte ich sie im Wind klappern. Es gab ein paar hölzerne Hütten mit abblätternder Farbe. Eine davon war verlassen und hatte kein Dach mehr. Weit und breit war niemand zu sehen.
    »Sie können sich im Wagen umziehen«, sagte Michael forsch.
    »Ich will eine Umkleidekabine«, sagte ich in schmollendem Ton und stieg aus. »Welche ist Ihre?«
    »Ich möchte mich eigentlich nicht damit aufhalten, sie aufzusperren. Im Auto wäre es besser, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Nein.«
    Michael stieg linkisch aus dem Wagen. Er trug bereits seinen Gummianzug, groß und glatt und schwarz.
    »Also gut«, sagte er ungnädig. »Dort drüben.«

    Er führte mich zu einem verwitterten hölzernen Schuppen mit Doppeltüren aufs Meer und reichte mir seinen Schlüsselbund.
    »Die Tür geht vielleicht ein bißchen schwer auf«, sagte er.
    »Sie ist seit letztem Frühjahr nicht mehr geöffnet worden.« Er tappte durch das rauhe gelbe Gras und den steinigen Strand entlang zu seinem Boot.
    »Bleiben Sie in der Nähe der Tür, sonst treten Sie noch auf etwas Spitzes, oder es fällt etwas auf Sie herunter.«
    Ich schaute die Küste entlang. Kein Mensch zu sehen, was nicht verwunderlich war: Der Himmel wies alle Schattierungen von Grau auf, und unangenehme Böen peitschten über das Wasser. Die Wellen hatten weiße Schaumkämme. Ich konnte die Landspitze von da, wo ich stand, kaum sehen, und der Wind auf meinem Gesicht fühlte sich eisig an. Ich steckte den Schlüssel knirschend ins Schloß und konnte ihn nur unter Schwierigkeiten umdrehen; dann stieß ich eine der Türen einen Spaltbreit auf. Innen befand sich ein Durcheinander von Gegenständen. Gelbe und orangefarbene Schwimmwesten hingen an einem großen Haken links an der Wand, zwei Angelruten lehnten an der anderen Wandseite. Mehrere große Nylonsäcke enthielten, wie mein tastender Fuß feststellte, Segel.
    Im Hintergrund der Hütte lag ein Surfbrett. Es gab Eimer, Schöpfeimer, Dosen mit Nägeln und Haken und kleine Werkzeuge, die ich nicht kannte, ein paar leere Bierflaschen, eine alte grüne Persenning, ein paar Dosen Farbe, Schmirgelpapier, einen Werkzeugkasten, eine Brechstange, einen Besen. Es roch durchdringend nach Öl, Salz, süßlicher Verwesung und Verfall. Vermutlich lag irgendwo eine tote Ratte.
    Ich legte den Gummianzug auf eine rohe Holzbank und fing an, mich auszuziehen, wobei ich in der eisigen, stillen Luft schlotterte. Dann zwängte ich mich in das unangenehme Kleidungsstück. Gnadenlos legte es sich um meine Glieder.
    Gott,

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