Ein silbernes Hufeisen
mir und Alexander, hätten wir schon vor Jahren geheiratet. Er ist meine Familie, das ist alles.“ Selbstverständlich glaubte Tony ihr, er hatte sich lediglich noch einmal versichern wollen. „Er wird dich nicht mögen, weil er in mir nun einmal seine kleine Schwester sieht. Niemand ist gut genug in seinen Augen. Er ist besorgt, also sollten wir ihm zunächst auf keinen Fall erzählen, dass wir verlobt sind.“
Tony nickte. Was war denn ein weiterer Name auf der Liste der Menschen, die auf keinen Fall wissen durften, dass er und Guinievaire ein Paar waren? Nur noch wenige Stunden mussten sie diese Verschwiegenheit wahren, es würde ihm also nicht schwer fallen. Und wenn ihr daran gelegen war, dann würde er alles für sie tun.
Eine Weile lang gingen sie still und Hand in Hand durch die kalten Straßen, bis diese breiter wurden und die Nachbarschaft noch ruhiger. Morgen war ihr großer Tag endlich gekommen. Dachte Tony daran, dann war er aufgeregt, genau wie seine Verlobte, aber meist waren seine Gedanken schneller und ungeduldiger. Dann malte er sich, wie in diesem Moment, ihre Zukunft aus, wie sie nach dem morgigen Abend auf sie wartete: wie sie heiraten würden, und dann wäre Guinievaire seine Frau, und er dürfte sie immer sehen und jeder dürfte es dann wissen. Sie würden fliehen aus der kalten, winterlichen Stadt, wo es regnete und regnete, und eben jene Ruhe finden, die sie sich lange verdient hatten. Seit einem halben Jahr waren sie nun zusammen und wann war ihnen schon einmal ein sorgloser Augenblick gewährt worden? Nach ihrer Heirat würde ihr gemeinsames Leben einzig und allein aus Ruhe und vielleicht sogar aus Frieden bestehen.
Kurz bevor Tony und Guinievaire in die Straße mit ihrem dunklen Haus einbogen, hielt sie ihn mit einem Mal an und sie zog ihn mit fester Hand gegen eine schwarze Hecke, hinter einer erloschenen Laterne. Ihr Körper war kalt und weich dank des Pelzes, als sie sich gegen Tony drückte und ihre wachen Augen auf sein Gesicht heftete. Mit einem langen Finger fuhr sie über seine Wange, dann streckte sie den Hals. „Küss mich,“ wisperte sie leise, dabei öffnete sie ihre Lippen und dann wartete sie.
Tony entsprach ihrem Wunsch natürlich sofort. Er beugte sich nach vorne bis ihre frierenden Lippen sich trafen. Vorsichtig drückte er sich gegen sie, verharrte in dieser Position, hob den Kopf sanft, dann löste er sich wieder von ihr, um diesen Prozess noch zweimal zu wiederholen, langsam und mit viel Bedacht. Wenn er sie küsste, dann war er stets bemüht, jede einzelne Sekunde zu genießen und behutsam mit ihr zu sein. Er liebte sie so sehr. Sie war perfekt für ihn. Er würde sie heiraten und sie würden unendlich glücklich sein.
An der Tür zu Guinievaires Ankleide auf einem perlenbesetzten Bügel hing ihr Kleid für den heutigen Abend. Eines der Mädchen hatte ihr schon vorhin das Korsett geschnürt, aber sie hatte noch keine rechte Lust gehabt, sich anzukleiden, bisher trug sie also lediglich Bademantel und Unterwäsche und erhob sich schließlich seufzend von ihrem Bett. Auf ihrem Schminktisch suchte sie zwischen all ihren Cremes und Tiegeln und den vielen Parfums nach ihrem Lieblingsduft, dabei ließ sie sich auf den kleinen Hocker sinken und sah ihrem Spiegelbild in die Augen. Sie atmete tief ein. Ihr war schlecht.
Du kannst das tun, bestärkte sie sich selbst und nickte. Es wird schwierig sein, aber du bist erwachsen und du bist klug und bisher hast du alles bekommen, was du gewollt hast in deinem Leben. Wenn du es richtig anstellst, dann wird auch dieser Abend perfekt verlaufen.
Guinievaire traute sich selbst nicht recht. Sie wollte daran glauben, dass die Dinge sich wieder einmal mühelos arrangieren würden, aber es gab so viele Risiken, so vieles, was in sich zusammenbrechen konnte, und so vieles stand auf dem Spiel. Voller Sorgfalt kämmte sie sich die Haare. Während sie sich dann schminkte und während sie jeden einzelnen Handgriff mit mehr Sorgfalt erledigte als eigentlich üblich, versuchte sie, einen Plan zu machen und den Ablauf des nun folgenden Dinners in ihrem Kopf zu ordnen: sie würde die Gäste begrüßen, gemeinsam mit ihrem Vater. Vicky, die mit ihren Eltern kam und deren Vater wiederum der beste Freund von Guinievaires war, würde vermutlich unter den Ersten sein. Sie würden kurz reden, trinken, sie würden sich vermutlich etwas streiten, wie sie es immer taten in letzter Zeit, dann würde Snooze auftauchen und Alex und Cici und
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