Ein silbernes Hufeisen
alles falsch und zudem schrecklich ungewiss. Was ihr Vater nun mit ihr vorhatte, das wusste sie nicht, denn er hatte ihr bisher keinen neuen Plan mitgeteilt. Mit Tony hatte Guinievaire seit einem Monat keinen Kontakt gehabt, und Alex hatte sie nicht besucht, ebenso wenig wie Vicky, und Cecilias Zorn hatte sie sich endgültig und für immer zugezogen, es war also wenig verwunderlich, dass sie nicht recht in Festtagsstimmung kommen mochte. Was sollte sie tun?
„Wobei ich doch sehr an deinem Geschmack zweifeln muss,“ fügte Azrael hinzu, nachdem er fröhlich einem allzu offensichtlich tuschelnden Päarchen zugewunken hatte. Die Frau hatte Guinievaire noch niemals ausstehen können, wie es mit den meisten weiblichen Wesen der Fall war. „Du kannst nicht deinen Reitlehrer heiraten, wirklich.“
Guinievaire seufzte kurz. „Wieso nicht?“ fragte sie herausfordernd. „Ist das nicht schrecklich romantisch und unerwartet und zugleich ungeheuerlich faszinierend?“ Während sie sprach hob sie stolz eine Schulter und machte ein zufriedenes Gesicht. Ob Tony sie überhaupt noch heiraten wollte, fragte Guinievaire sich dabei. Er hatte ihr versprochen, dass sie fliehen würden, aber in der Zwischenzeit konnte er sehr wohl wieder zur lange überfälligen Vernunft gekommen sein.
Azrael schnaubte verächtlich und schüttelte sein dunkles, wie immer sorgfältig gelegtes Haar. „Nein,“ war seine schnelle und eindeutige Antwort. „Darfst du dich ab sofort wieder frei bewegen?“
Noch während er sprach, blickten sie beide zugleich zu Guinievaires Vater hinüber, denn sie hatten wohl gleichzeitig seine bohrend blauen Augen gespürt. Zusammen mit Mr Anderton stand er weit abseits von den übrigen Gästen, aber seine Tochter ließ er nicht für wenige Minuten aus dem Blick, als ob er befürchtete, sie würde sich durch eines der hohen Fenster flüchten.
„Was glaubst du?“ meinte Guinievaire daraufhin unzufrieden.
„Vermutlich nicht,“ grinste Azrael schief und reichte ihr ein neues Glas Punsch, nachdem sie ihr letztes bedenklich schnell geleert hatte. Dankbar nickte sie ihrem Freund zu. „Vielleicht kannst du sogar froh darüber sein,“ überlegte er dann. „Alex hat eine furchtbare Laune und er lässt sie an uns allen nur allzu gerne aus.“
Desinteressiert warf Guinievaire den Kopf zurück. „Alex und seine Launen kümmern mich nicht im Geringsten,“ erwiderte sie kühl.
Azrael hob daraufhin lediglich seine perfekten Augenbrauen. „Natürlich nicht,“ sagte er sarkastisch und trank. „Paul hat Pläne geäußert, dich zu Mrs Bancroft zu machen, was ihm zwei blaue Augen eingebracht hat.“
Einen kurzen Blick tauschten sie aus, und dann bewirkte diese kleine Geschichte genau das, was sie bewirken hatte sollten: Guinievaire musste laut lachen und zum ersten Mal seit Wochen fühlte sie sich dabei für wenige Sekunden wieder unbeschwert, zumindest bis der ganze Saal mit einem Mal aufgeregt zu ihr herüber sah als habe sie gerade laut geflucht. Waren sie etwa der Meinung, Guinievaire solle das Haupt neigen und sich schämen für den Skandal im November? Nichts davon war ihre Schuld gewesen und London liebte sie nicht, weil sie zurückhaltend und bescheiden war.
„Was ist so komisch?“ fragte Vicky, die endlich zu ihnen herübergekommen war, ebenfalls mit einem Glas in den schlanken Händen und mit einem Lächeln, das mehr als offensichtlich erzwungen war. Ihre braunen, klugen Augen waren kalt, als sie ihre ehemals beste Freundin anblickte.
„Paul,“ antwortete Guinievaire schlicht, denn sie wusste nicht recht, wie sie Vicky begegnen sollte oder ob sie sich bei ihr nach Tony erkundigen konnte. Wenn er versucht hatte, mit ihr Kontakt aufzunehmen, dann musste er dies durch ihre gemeinsame Bekannte getan haben, aber vor Azrael konnten sie diese empfindlichen Fragen kaum erläutern.
Voller Verständnis nickte Vicky. „Er sieht furchtbar aus, aber er ist sehr stolz darauf,“ sagte sie mit einem abschätzigen Kopfschütteln, denn Vicky und Paul hatten niemals die gleiche Art Humor geteilt, und es hatte überhaupt lange gedauert bis sie sich aneinander gewöhnt hatten. „Wenn du nicht möchtest, dass er die ganze Stadt kurz und klein schlagen lässt, dann solltest du mit ihm sprechen.“
Dies war typisch für Vicky, dachte Guinievaire, denn Vicky wusste immer, was alle anderen Menschen unbedingt tun sollten, und wie sie es dabei richtig und moralisch einwandfrei taten. Etwas ungehalten rollte sie die
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