Ein silbernes Hufeisen
meinte er dann.
Sofort hob Guinievaire den Kopf und wurde stumm und blinzelte fassungslos. Es schien ihm ernst. Er wollte sie nach wie vor, er wollte sie, weil er es einfach nicht besser wusste.
„Du willst, dass wir fortlaufen?“ fragte sie ihn langsam.
Dass Tony etwas derart Waghalsiges tat, damit hätte Guinievaire niemals gerechnet. War er nicht der Vernünftige, der zu viel nachdachte? Eigentlich mochte er keine Risiken, aber er sah doch recht überzeugt aus. Sanft strich er eine lose Strähne aus ihrer Stirne und lächelte sogar.
„Es wäre sicherlich ein unglaublich großer Skandal, wenn wir dies täten,“ überlegte er. „Aber es ist mir ganz egal, ich will dich nur heiraten. Du allein entscheidest, Guinievaire.“
Selbige schluckte. Sie sollte also entscheiden. Eigentlich war sie sehr schlecht, ging es darum, sich fest zu etwas zu entschließen, aber genau wie damals, als Tony um ihre Hand angehalten hatte oder damals, als er ihr gestanden hatte, dass er sie liebte, war sie schlicht fassungslos ob seiner Aufrichtigkeit und seiner skrupellosen Ehrlichkeit. Niemals hatte er Geheimnisse vor ihr. Und obwohl er zumindest dunkle Ahnungen über ihre wahre Disposition hegen musste, er hatte tatsächlich immer noch vor, ihre unwürdige Person zu ehelichen. Guinievaire könnte ihm einfach sagen, dass sie es nicht wagte, dass sie müde war und es wäre sofort vorbei. Sie und Tony wären nicht länger verlobt und damit stünden ihr wieder neue und alte Wege frei. Aber der Gedanke an jene Wege und Gelegenheiten machte sie trotzig, trotz oder eben wegen der Vorfälle des heutigen Abends und deshalb war sie entschlossen, dass sie nach wie vor Tony wollte und nichts anderes. Er war ihre Mühen wert, oder etwa nicht? Alles würde besser werden, waren sie erst einmal verheiratet.
Natürlich musste sie also nicken, wenn auch etwas schwach und ungläubig. „Skandale haben mich noch niemals wirklich interessiert,“ hauchte sie.
„Dann werde ich einen Weg für uns finden,“ versprach Tony feierlich und drückte die Hände immer fester in sie. „Wir werden zusammen sein, Guinievaire.“
Diese musste nun ebenfalls schwach lächeln. Sie streckte den müden Hals und küsste ihn, dann seufzte sie und legte den Kopf wieder auf seine breite Brust.
„Du bist fantastisch,“ murmelte sie dabei in sein Jackett.
„Ich liebe dich,“ war Tonys wenig überraschende Antwort.
Sie würden sich also weiter bemühen. Trotz des grauenhaften Abends und trotz der vielen, unerfreulichen und unerwarteten Wendungen war Guinievaire, während sie Tony fest umklammerte und langsam ruhig wurde, wieder überzeugt davon, dass ihre Beziehung, selbst wenn sie schrecklich kompliziert war, jene Strapazen wert war. Sie würden fliehen vor ganz London. Was für eine unfassbare Vorstellung! Aber wie sollte sie denn heute noch über die Ausarbeitung der Details nachdenken? Guinievaire war schrecklich erschöpft und ihr Kopf war leer.
„Was sollen wir nun tun?“ fragte sie deshalb Tony. Dieses eine Mal musste er die Verantwortung für sie beide übernehmen.
„Nun,“ seufzte er, wobei er sanft und sicher klang. Vielleicht war er doch in der Lage zu lenken? Vielleicht sollte Guinievaire ihm in Zukunft mehr vertrauen. „Du wirst auf dein Zimmer gehen und ich verschwinde aus diesem Haus,“ zitierte er ihren Vater.
„Schön,“ antwortete sie daraufhin lediglich mechanisch und nickte.
„Guinievaire?“ sagte Tony daraufhin vorsichtig, nach einer kleinen Pause. „Ich fürchte, du wirst mich dafür loslassen müssen.“
2 Dezember
Guinievaire Hastings kannte diese Blicke, die ihr zugeworfen wurden, verhalten und kurz über die Schultern, dabei wurde geflüstert und gelächelt und dann gaben sie alle wenig überzeugend vor, dass sie sie nicht angestarrt und über sie gesprochen hatten. Wo auch immer sie war, seit ihrem Debüt verfolgte man jeden Schritt, den sie machte, und nun, wo sie einen ganzen, langen Monat aus der Gesellschaft verschwunden gewesen war, da war sie natürlich noch unendlich viel interessanter als zuvor.
Diese kleine Party, ein intimes Weihnachtsfest der Andertons in ihrem tristen, sterilen Salon, war die erste Gelegenheit, zu der Mr Hastings seiner ungehorsamen Tochter wieder erlaubt hatte, das finstere Haus ihrer Geburt zu verlassen, denn obwohl er in den letzten Wochen angestrengt gekämpft hatte, ihm war es doch nicht gelungen, die Gunst Londons zurückzugewinnen und sie alle vergessen zu machen, was in
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