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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Barbera
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eine vorbildliche Verlobte abzugeben, aber davon war sie schon seitdem sie seinen Heiratsantrag angenommen hatte, weiter entfernt gewesen, als Cecilia davon entfernt war, in ein Kloster zu gehen. Wollte sie diesen Mann auch nur ein winziges Bisschen verdient haben, so musste sie ihm endlich die Wahrheit sagen oder zumindest eine behutsame Version der Wahrheit oder zumindest die Wahrheit über das, was zwischen ihr und Marion vorgefallen war oder eben die leicht abgeänderte Wahrheit über das, was zwischen ihr und Marion vorgefallen war. Sie war absolut allein im Juni und deswegen stellte Guinievaire sich nur zu gerne vor, was sie sagen oder tun würde, hätte sie die Möglichkeit, mit ihrem Verlobten zu sprechen.
    Immerhin trennte sie nicht einmal sehr viel voneinander – ein wenig Glas, einige Meter von kurz gemähtem Gras und schließlich eine niedrige Mauer aus Stein, dies war alles. Würden diese Dinge nur von einem Augenblick auf den anderen verschwinden, so wären sie endlich wieder zusammen.
    Würde Tony eines Tages einfach durch die Türe kommen mit seiner warmen Präsenz und seinen aufrichtigen Augen. „Endlich bist du hier,“ würde Guinievaire dann sagen, denn sie würde sich wirklich darüber freuen, dass er bei ihr war. Dann würde sie die Arme um ihn legen und ganz artig sein, so wie er sie gerne hatte. „Ja,“ würde er kurz erwidern und sie fest an sich drücken.
    Säße sie eines Tages nur unten auf der moosigen Gartenmauer mit ihrem herrlichen Haar, das in der Sommersonne glänzte. „Ich habe dich vermisst,“ würde Tony dann sofort gestehen, und dies wäre sogar noch eine unverschämte Untertreibung. Und hoffentlich würde sie daraufhin nicken und dasselbe erwidern. Warum sollte sie ihn nicht vermissen? Immerhin saß sie ebenfalls jeden Tag am Fenster und sah ihn sehnsuchtsvoll an. „Es tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe,“ würde er weiter erklären und dabei ihre kalten, langen Hände in die seinen nehmen. Sie würde jedoch sofort den Kopf schütteln, weil sie ihm nicht einmal böse war, denn sie hatte mehr als geduldig auf ihn gewartet, während er sich alle Zeit der Welt gelassen hatte. „Es ist nicht schlimm,“ würde sie ihn beschwichtigen, aber Tony würde weiter darauf beharren. „Fünf Monate habe ich dich warten lassen, Guinievaire, das ist eine sehr lange Zeit.“ Dennoch würde sie weiter ruhig bleiben, vielleicht würde sie sogar den schönen Kopf neigen und dabei würde sie wieder abwehrend sagen: „Aber es ist doch wirklich nicht schlimm, Tony, denn nun hast du mich gefunden und nun bist du hier.“ Dabei würde sie eventuell sogar ein wenig lächeln, einen ihrer rosa Mundwinkel nach oben ziehen, einfach weil sie sich so sehr freute, dass er nach ihr gesucht hatte. „Ich muss dir etwas sagen,“ würde er nur sehr zögerlich beginnen, denn ihm würde der Mut fehlen, es einfach und direkt anzusprechen, weil er sich davor fürchtete, wie sehr er sie mit seinem Geständnis verletzen würde.
    Guinievaire würde es einfach und direkt ansprechen und dann sehen, wie er darauf reagierte und hoffen, dass er nicht zu verletzt wäre. „Tony, ich habe den Gärtner geküsst,“ würde sie sagen und sich dann sofort entschuldigen. Sie würde ihm nicht seinen Namen nennen, damit es so klang, als spiele er als Person nicht einmal eine Rolle, und die ganze, unschöne Wahrheit über den zugegebenermaßen ausgesprochen zufriedenstellenden Sex würde sie ihm wohl ebenfalls verschweigen, wobei sie zwei gute Gründe hätte: Zum einem würde er sich niemals von diesem Schlag erholen können, wobei er ihr zweifellos verzeihen würde, aber Sex bedeutete nun einmal sehr viel für Tony. Für ihn wäre es eine schlimme Nachricht und am Ende würde er sogar die Fehler bei sich selbst suchen und dies wollte Guinievaire auf keinen Fall zulassen. Außerdem – in diesem Punkt war sie wohl etwas eigennützig – hielt Tony sie für einen unschuldigen und rein weißen Engel, und selbst wenn Guinievaire ihn niemals belogen hatte in dieser Hinsicht, so profitierte sie doch zu sehr von jenem Bild. Er würde misstrauisch werden, erfuhr er von ihrem kleinen Fehler mit Marion, was dazu führen würde, dass er damit begann, ihr Fragen zu stellen, und sobald Tony ihr gegenüber kritisch wurde, war ihre Beziehung ohne Zweifel endgültig vorbei. Nur wegen Guinievaires dummen Planes und ihrer kleinen, menschlichen Schwäche wollte sie Tony jedoch nicht verlieren. Mit jener Lüge würde sie also nicht

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