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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Barbera
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Tag und du hast mir nichts davon erzählt?“
    Ihr Gegenüber, das eben noch sehr nervös seinen Tee getrunken und mit den Fingern auf die Tischplatte getrommelt hatte, nickte lediglich etwas betroffen, während Vickys Gedanken nun rasten: sie war hier in Shropshire, ihre beste Freundin Guinievaire, bei ihrer Tante Abigail, wie es im Grunde ganz und gar nicht abwegig war! Dort hatte Tony sie durch einen unvorstellbaren Zufall gefunden und nach einem Monat lag deshalb wieder jenes altbekannte, verräterische Leuchten in seinen treuen Augen. Jegliche Vernunft, die er sich hart erkämpft hatte in der letzten Zeit, hatte ihn bereits wieder verlassen und was er wollte, worauf er hoffte, dies war nur allzu offensichtlich: nachdem er vorgehabt hatte, ein gutes, schönes Leben zu führen und sich zu erholen und zu tun, was richtig für ihn war, verlangte es ihm nun wieder nach der offiziell gekrönten Eiskönigin.
    Gemeinsam hatten sie gefrühstückt an einem weiteren, herrlichen Tag, diesmal sogar auf der Veranda mit einem weiten Blick, wobei die Vögel sangen und die Sonne schien. Soeben war alles noch lächerlich ruhig und erholsam gewesen, besonders für Vicky, die sich so wenig hatte bekümmern lassen müssen in den letzten Wochen auf dem Lande, die sie zu ihrer milden Überraschung nach einigen Schwierigkeiten doch mittlerweile begonnen hatte, zu genießen. Und nun herrschte einzig verwirrtes Schweigen, während sie panisch kalkulierte, Robert durchaus ein wenig überrascht wirkte, und Tony mit großer Sicherheit an nichts weiter dachte als an seine Verlobte. Deswegen war er niemals hier gewesen, deswegen hatte er seine Gastgeber sich selbst überlassen und hatte stets geschwiegen, hatte man sich nach dem werten Befinden erkundigt. Vicky hätte ahnen müssen, dass etwas Wichtiges vorgefallen war, aber sie hatte sich zu wenig auf ihre eigentliche Aufgabe und ihren Hausgast konzentriert.
    „Und wie geht es ihr dort?“ erkundigte sie sich, dabei hatte sie die Fingerspitzen aneinander gedrückt und konzentrierte sich vollendet. Robert warf ihr einen kurzen Blick zu und zuckte dabei kurz mit den klugen Brauen. Ebenso sehr wie sie verstand er das gesamte, berückende Ausmaß dieser unerwarteten Situation. Angespannt lehnte er sich daher zurück und öffnete das graue Jackett.
    „Nun, sie erscheint mir unversehrt,“ erklärte Tony mit abwesender Stimme. „Aber ihr Zimmer ist winzig und sie darf niemals heraus. Ich wünschte, ich könnte mit ihr sprechen.“
    Natürlich empfand Vicky Mitleid, lauschte sie dieser Schilderung, mit ihrer Freundin Guinievaire, die nichts mehr fürchtete als enge Räume und Langeweile, vermutlich zog sie also eben jenen Schluss, zu dem Tony bereits gekommen sein musste: sie musste befreit werden. Vicky war ihre beste Freundin, es war ganz einfach ihre Pflicht, ihre liebe Guinievaire nicht im Stich zu lassen. Wie dies anzustellen war, war jedoch keine Frage, mit der sie sich quälen musste – es gab nur eine winzige Sache, die sie nun zu tun hatte, nachdem sie diese Neuigkeiten erfahren hatte.
    „Ich werde sie befreien,“ verkündete Tony wenig überraschend nach einer kleinen, nachdenklichen Pause an ihrem hellen Tisch aus verwobenen Ästen und schlankem Holz. „Ich habe einen Plan, es wird nicht schwer sein, denn der Gärtner darf zu ihr und er kennt sie. Wenn ich ihm unsere Situation schildere, dann wird er mir vielleicht helfen oder er wird mir womöglich sogar den Schlüssel geben. Sie darf nicht länger dort oben sitzen, Vicky,“ schloss er dann, dabei hatte er die Finger flach auf die Tischplatte gelegt und wirkte beinahe fieberhaft.
    „Natürlich nicht,“ stimmte Vicky ihm daher eilig zu, damit er sich nicht noch mehr und angestrengter aufregte, zugleich empfand sie aber auch Mitleid mit ihm. Denn er war immerhin auf einem mehr als gesunden Weg der Besserung gewesen, und nun war es ein weiteres Mal und vermutlich sogar endgültig um ihn geschehen, wobei sein wahnsinnig verliebter Anblick sie doch zugleich erstmals nicht mehr reute. Stattdessen fühlte sie sich herrlich frei. Robert schwieg derweil weiterhin und beinahe machte er einen geradezu amüsierten Eindruck.
    „Ich werde jetzt zu ihr reiten,“ ließ Tony dann wiederum äußert entschlossen verlauten. „Ich sehe sie so gerne.“ Ein letztes Mal seufzte er, dann erhob er sich und er wartete noch nicht einmal darauf, dass seine Gastgeber ihn verabschiedeten. Er verschwand ganz einfach mit langen, hastigen Schritten,

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