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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Barbera
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gesehen zu haben und vermutlich handelte es sich dabei durchaus um den Gärtner, aber selbst wenn er zu Guinievaire durfte und sie auch miteinander gesprochen hatten, deswegen war noch lange nicht klar, welche Meinung er von Tonys Verlobten hatte.
    Marion willigte ein, sich mit ihm zu treffen, was zunächst einmal aus purer Neugier geschah: er wollte ganz einfach gerne hören, wie sehr und ob dieser Mensch überhaupt in seine Gefangene verliebt war, er wollte ihn sich ganz genau ansehen können und natürlich wollte er auch hören, was er nun vorhatte, denn vermutlich hatte er sich endlich dazu entschließen können, seine Verlobte aus ihrem Turmverlies zu befreien und nun spekulierte er dabei auf Marions Hilfe – von welcher dieser sich jedoch ganz und gar nicht sicher war, ob er sie ihm auch gewähren wollte.
    Der einzige Pub des winzigen Dorfes war nicht eben das, was man unter einem hübschen oder gar einem gemütlichen Ort verstand, weil aber die Konkurrenz weit und breit fehlte, florierte das Geschäft auch ganz ohne großen oder besonderen Aufwand. Der übergewichtige Barmann und Besitzer, der in diesem Augenblick hinter der Theke stand und mit einem zerschlissenen Fetzen milchige Gläser polierte, wobei er genussvoll rauchte und den Raum dadurch noch stickiger und stinkender machte, musste sich keine Mühe geben. Die Fenster waren gelb, staubig und vermutlich noch niemals geputzt worden, und die Luft roch neben dem Rauch auch nach altem Fett, beißendem Alkohol und schwitzenden Menschen, selbst wenn um diese frühe Uhrzeit nur eine einzige, einsame Seele in einer dunklen Ecke saß und tief in ihr leeres Glas starrte. An einem kleinen Tisch für zwei in einer Nische, gleich neben einem der vergitterten Fenster, durch die das hübsche Sonnenlicht von draußen ohnehin nicht dringen konnte, saß Marion nun auf einer unbequemen Bank, während ein schmutziger Lampenschirm aus beigem Glas über seinem Kopf pendelte, in dem ein schwaches Licht flackerte. Marion hatte die Türe im Auge von dort, wo er saß, weswegen er sich zumindest etwas ruhiger fühlte. Außerdem hielt er mit seinen Händen sein Pint Bier umklammert, welches man ihm schon warm serviert hatte, und dabei betrachtete er ausgesprochen interessiert sein Gegenüber: Anthony Ford war unheimlich pünktlich gewesen. Tatsächlich war er sogar schon vor ihm hier gewesen, hatte sich erhoben, als er an den Tisch gekommen war und hatte ihm dann mit schwachem Druck die Hand geschüttelt. Von der ersten Sekunde an hatte Marion dabei eine stechende Feindseligkeit ihm gegenüber empfunden und er verfluchte Guinievaire dafür, dass sie es geschafft hatte, seine unbekümmerten, rein freundschaftlichen Gefühle für sie in etwas derart Unangenehmes zu verwandeln. Was es genau war, das wusste er noch nicht, aber nun, da er beinahe so etwas wie unbegründeten Hass für diesen vollkommen Fremden empfand, befürchtete Marion das Schlimmste.
    Bei genauerer Betrachtung stellte Marion fest, dass Anthony Ford zunächst einmal tatsächlich eben so besorgniserregend kurz geraten war, wie er schon aus der Ferne immer gewirkt hatte – er musste gerade einmal so groß sein wie Guinievaire, wobei er neben ihr sicherlich noch kleiner und schmaler wirkte, denn seine breiten Schultern ließ er merkwürdig tief hängen und seiner gesamten Erscheinung fehlte die Autorität, die seine Verlobte definitiv verströmte, wenn sie das weiße Kinn hob und den Rücken durchdrückte. Außerdem war er schlecht gekleidet, wobei er nicht etwa billige Stoffe und unpassende Schnitte trug, seine Weste und sein Hemd ließen viel mehr auf einen grauenhaften Geschmack schließen. Und dann war da noch eine Tatsache, die Marion ganz besonders störte – er sah nicht einmal gut aus. Nun, er sah auch nicht schlecht aus, am besten ließe er sich vermutlich mit dem Wort ‚Durchschnittlich‘ beschreiben: man hätte sein Gesicht schlicht sehr schnell wieder vergessen, hätte er nicht einen leicht schiefen Kiefer gehabt und dieses absonderliche, widerspenstige Haar, das in sperrigen Locken in alle Richtungen abstand, obwohl er offensichtlich versucht hatte, es mit einem Kamm zu bändigen. Ein absolutes Nichts war er im Vergleich zu Guinievaire und dieses Nichts wollte sie nun wirklich heiraten? Marion wusste natürlich, dass Guinievaire ausgesprochen selbstbestimmt war und sich gerne durchsetzte, was dieser junge Mann ihr sicherlich vierundzwanzig Stunden am Tag erlaubte, aber sie musste doch einsehen, dass

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