Ein silbernes Hufeisen
dies keine gute Idee sein konnte, sich für ihr gesamtes, herrliches Leben an diesen Schwächling zu binden. Missmutig lehnte Marion sich auf seiner steinharten Bank zurück und sah den Zwerg mit ernster Miene an.
„Haben Sie eine Idee, warum ich Sie sprechen wollte?“ erkundigte Tony sich in einem sehr geschäftlichen Ton, aber mit einem eindringlichen Blick. Schon zu Beginn ihres Gespräches konnte Marion erkennen, dass er bereit war, zu betteln, damit er ihm dabei half seine Verlobte zurückzugewinnen. Nun, vielleicht würde er dies auch tun müssen.
„Ich schätze, es geht um Ihre Verlobte,“ erwiderte er, wobei er das Wort ‚Verlobte‘ auf eine seltsam spöttische Art und Weise betonte.
„Dann kennen Sie also unsere Geschichte?“ nickte Tony erleichtert. Dies würde ihm glücklicherweise sehr viel Zeit ersparen, die er nicht an diesem grauenhaften Ort würde verbringen müssen, an diesem grauenhaften Ort und vor allem mit diesem zwielichtigen Menschen. Dieser Gärtner war anders als Tony erwartet hatte, das hatte er leider bereits feststellen müssen, als er vor wenigen Minuten etwas verspätet durch die Tür getreten war. Er war groß und blond und wohl ungefähr so alt wie Guinievaire. Und, was das Schlimmste an ihm war und weswegen er Tony, der sich stets um eine gewisse, freundliche Unbefangenheit neuen Bekanntschaften gegenüber bemühte, sofort unsympathisch gewesen war, er erinnerte ihn unglaublich an die jungen Männer, die daheim in London üblicherweise die Gefolgschaft seiner Verlobten bildeten – an jene, die es für das größte Glück der Welt hielten, sich im Dunstkreis von Lord Lovett aufzuhalten und mit denen sie gerne um die Wette trank und auf ungebührliche Art und Weise flirtete. Während Tony zunächst also nicht sonderlich viel hielt von seinem möglichen Komplizen, schien ebendieser ihm gegenüber beinahe etwas feindselig gesinnt zu sein, was natürlich nur zwei Dinge bedeuten konnte: entweder Guinievaire hatte Marion, den Gärtner, so behandelt, wie sie es pflegte, Personal zu behandeln, und deshalb hatte dieser nun aus purer Rachsucht heraus keinerlei Interesse daran, seiner grausamen Gefangenen zur Hilfe zu eilen. Oder aber Guinievaire hatte Marion, ihren einzigen Umgang seit Monaten, so behandelt, wie sie es pflegte, große, junge Männer mit blondem Haar zu behandeln, und der Ärmste war darauf hereingefallen und nun lächerlicherweise auf Tony eifersüchtig. Diesem fiel es jedoch recht schwer, sich vorzustellen, wie Guinievaire mit seinem Gegenüber flirtete und ihm ihr hübsches Lächeln schenkte, denn selbst wenn der Gärtner groß und blond war, er war wohl kaum nach ihrem Geschmack, wo seine Nase doch seltsam gebogen war und dabei etwas schief, seine Haut braun gebrannt und seine Augen eine unattraktive, wässerige Farbe hatten. Er war muskulös auf eine sehr offensichtliche Art und Weise, was Guinievaire nicht gefiel, und zudem waren seine großen Hände rau und seine Fingernägel schmutzig. Alles in allem war er also deutlich zu erdig und naturverbunden für seine Verlobte, und außerdem, warum dachte Tony überhaupt über diese alberne Option nach? Guinievaire liebte einzig und allein ihn und sie hatte ihm noch niemals zuvor Anlass zur Eifersucht gegeben oder einen winzigen Grund dazu, an ihrer ewigen Treue zu zweifeln. Warum sollte er also ausgerechnet nun damit anfangen, ihr zu misstrauen, wo man sie doch endlich von all den gepflegten, aristokratisch bleichen Herren isoliert hatte, die vermutlich stets eine wesentlich größere Gefahr für Tony gewesen waren als dieser Gärtner hier?
„Offensichtlich,“ antwortete dieser unhöflich. Tony verspürte den Drang, die Augen zu verdrehen, wusste aber, dass er bescheiden und freundlich bleiben musste. Egal was diese Person von Guinievaire hielt, er würde ihm nicht einfach und bereitwillig helfen wollen, machte Tony nicht einen guten Eindruck auf ihn und brachte gute Argumente vor. Bevor er also die Verhandlungen begann, nahm er einen letzten Schluck aus seinem schalen Bier.
„Ich hätte sie sehr gerne wieder bei mir und ich wäre Ihnen sehr verbunden, würden Sie mir dabei helfen,“ sagte Tony dann mit einem aufrichtigen Blick und hoffte das Beste.
Dies wollte er aber nicht, war Marions erster Gedanke, und er musste sehr mit sich kämpfen, um eben dies seinem Gegenüber nicht sofort und in einem kalten Tonfall in sein leidenschaftsloses Gesicht zu sagen. Glücklicherweise gelang es ihm jedoch, sich zurück zur
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