Ein silbernes Hufeisen
ihn falsch eingeschätzt, dachte er, als sie sich höflich verabschiedeten und er nach Hause ritt um Vicky und Robert stolz die guten Nachrichten zu überbringen.
Marion ging ebenfalls nach Hause und auch er war ausgesprochen zufrieden mit dem Verlauf dieses Zusammentreffens. Zum einen hatte er nämlich endlich erfahren, dass Guinievaires Verlobter tatsächlich ein schlimmer Idiot war, was eine Tatsache war, die ihm eine grimmige Bestätigung eingebracht hatte, und zudem hatte er sich nun auch eine hübsche Beschäftigung für die kommenden Wochen verschafft. Dabei hatte er natürlich nicht vor, Guinievaire auch nur das winzigste Detail von diesem Treffen oder gar von dem Plan ihres Verlobten zu erzählen. Er wollte lediglich sehen, ob er ein wenig von seiner kläglichen Bezahlung schon im Voraus bekommen konnte. Selbstverständlich war Marion sich dabei durchaus bewusst, dass er dieses Spiel nicht ewig spielen konnte, aber dies war kaum seine Absicht. Irgendwann würde Guinievaire ihn schließlich doch langweilen und dann würde er damit aufhören, gerne bei ihr sein zu wollen. Sobald es also soweit war, würde er schrecklich froh sein, sie wieder mühelos loswerden zu können, selbst wenn der Gedanke, dass er sie dann an den unmöglichen Zwerg abgeben musste, weiterhin bitter war.
Bei ihrem zweiten und zugleich wesentlich freundlicheren Treffen im Juli machten Marion und Tony einen Plan. Marion erzählte ihm dabei sehr viele und hübsch geschliffene Lügen darüber, dass zwei kräftige Männer das Haus bewachten und Guinievaires Vater, ein Mann vor dem Anthony ausgesprochene Angst zu haben schien, sogar hin und wieder vorbei kam, um nach dem Rechten zu sehen. Er machte ebenso sehr Versprechungen darüber, dass jene stämmigen Männer manchmal auch Abigail auf ihren Reisen begleiteten und dass Marion geheime Schleichwege durch das Haus kannte, und so gelang es ihm, seinen Geschäftspartner eine Weile lang zu vertrösten. Zugleich kämpfte er jedoch an anderer Front ebenso dringlich, denn Marion musste zu seinem großen Schrecken feststellen, dass er Guinievaires scheinbar niemals überdrüssig wurde, und er erinnerte sich daran, was sie einmal zu ihm gesagt hatte: dass jeder Mann sich früher oder später in sie verliebte. Obwohl dies zu diesem Zeitpunkt zweifellos lediglich arrogante Reden gewesen waren, hatte Marion mittlerweile durchaus die Befürchtung, dass dieser Sinnspruch auf ihn leider sehr wohl zutraf, und weil er ihren Verlobten gesehen hatte, der in jeglicher Hinsicht ein enttäuschendes Exemplar war, war Marion sogar mit der Zeit dumm genug, um sich Hoffnungen zu machen, die zunächst natürlich kleine Phantasien blieben. Was, wenn er Geld hätte, mehr Geld als die lächerliche Entlohnung, die Anthony ihm versprochen hatte? Was, wenn er ein Haus in London hätte und sich in denselben Kreisen bewegte wie sie? Marion wollte sie nicht länger aus dem Haus haben und er wollte auch nicht weiter seine Spielchen mit ihrem Liebsten treiben. Im Grunde wollte er eigentlich nur noch gleiche Grundvoraussetzungen und eine echte Chance unter fairen Bedingungen.
Zu seinem großen Glück und seiner großen Überraschung wurde ihm schließlich eben dies versprochen, als er ein Angebot erhielt, das um so vieles besser war als alles, was er sich von Anthony Ford hatte erhoffen können. Man versprach ihm eine riesige Summe Geld, man versprach ihm zwei Häuser, eines in der Stadt und eines auf dem Land, und man versprach ihm, und dies war das Beste, dass Guinievaire nicht ihren Verlobten heiraten würde und dennoch schon bald aus ihrem Verlies befreit und nach London zurückkehren würde. Marion konnte kaum glauben an diese unfassbare Fügung des Schicksals, aber er musste noch nicht einmal sonderlich viel dafür tun: er wurde lediglich angewiesen, Guinievaire auch weiterhin nichts von dem Plan ihres Verlobten zu erzählen und er sollte eben diesen Verlobten noch bis mindestens Mitte September von dem Haus ihrer Tante fernhalten, wie auch immer er dies anstellte. Nun, Tony würde vermutlich recht aufgebracht über seinen Betrug sein, aber an dieser Zukunftsvision störte Marion sich ganz und gar nicht. Er musste immerhin an sich denken und er sollte nun wirklich alles bekommen, was er sich in seinen wildesten Träumen gewünscht hatte: Geld, Status, Ansehen, Rache und vielleicht sogar seine liebreizende Gefangene. Was für ein Glück er doch hatte! Und dies alles, diese unvorstellbare Chance, hatte er nur einem einzigen
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