Ein silbernes Hufeisen
abgab. Immerhin wollte er so gerne lachen über sein klägliches Gegenüber und sein verblendetes Gesicht, sein Tonfall blieb jedoch freundlich, glatt und unverändert geschäftlich. So viele Lügen hatte er ihm bereits erzählt, hatte ihm erfundene Botschaften von Guinievaire überbracht und niemals war Anthony etwas aufgefallen, denn er war unendlich verblendet in seiner Zuneigung und traute die kitschigen Worte, die Marion sich überlegte, seiner teuflischen Verlobten durchaus zu. Hätte Marion ihm hingegen die Wahrheit gesagt, hätte er ihm gestanden, dass er mit Guinievaire geschlafen hatte, so hätte Anthony vermutlich abgewunken und ungläubig gelacht.
„Ich dachte schon, dieser Tag würde niemals kommen,“ seufzte er schließlich.
„Nun, es war alles eine Frage der Geduld, wie ich gesagt hatte,“ erwiderte Marion ein wenig hochmütig.
Was Anthony wohl von dem berühmten, großen Lord hielt? Marion hätte sehr gerne mehr über ihn gewusst, aber er kannte nur jene Geschichten über ihn, die er von Guinievaire gehört hatte, in denen der Lord immer als unverbesserlicher Frauenheld und als ihr zugleich unendlich geschätzter, bester Freund aufgetaucht war, und dann waren ihm außerdem noch eben die Dinge bekannt, die der Lord selbst ihm mitgeteilt hatte: dass er besorgt um seine liebe Freundin war und sie deswegen zurück holen wollte nach London, wobei sie aber vorher ihren Mr Ford unbedingt vergessen sollte. Ihre Geschichten deckten sich also, man sprach voneinander als vertrauten Weggefährten, aber war nicht etwas falsch an ihnen? Marion wollte sehen, wie sie zusammen wirkten, denn ihn seinem Kopf fügten sich die beiden zusammen, als seien sie zwei passende Gegenstücke und dies machte ihn ausgesprochen misstrauisch.
Diesen Gedanken jedoch eilig verdrängend, kramte er in seiner Hosentasche nach dem wichtigsten Utensil für den heutigen Tag und legte, als er ihn gefunden hatte, den alten, rotbraunen Schlüssel auf den ebenso wertlosen Tisch zwischen ihnen.
„Hier ist der Schlüssel,“ verkündete er mit einem ernsten Blick und Anthony fixierte ihn sofort gierig. Zögerlich, vermutlich weil ungläubig bewegte er dabei eine Hand auf das lang ersehnte, rostige Ding zu, bis er ihn schließlich begeistert mit seinen Fingern umschloss. Marion hatte ihm erzählt, dass Abigail beabsichtigte, eine lange Reise zu einem entfernt lebenden Freund zu unternehmen, weswegen sie die beiden stämmigen Wächter mitnahm und allein Marion die Aufsicht über ihre Nichte übertragen hatte. In Wahrheit würde Abigail einfach wie jeden Donnerstag Mittag ihren geheimen Besuch unternehmen und der Lord und Guinievaire würden schon frühmorgens abreisen, so dass Anthony sie alle sehr bequem verpassen würde, wenn er am späten Nachmittag das Schloss zu ihrer Türe aufsperrte. „Ich werde mich einfach durch die Türe von ihr verabschieden,“ sagte Marion sehr großmütig und tapfer, wobei er natürlich daran dachte, wie er sie in seinen Armen halten und sie zum Abschied küssen würde, was eine Vorstellung war, die ihm ausnehmend gut gefiel.
Anthony war von seiner Selbstlosigkeit sichtlich beeindruckt, und nun schien er mit einem Mal rührselig zu werden und sah Marion aus aufrichtigen Augen an. Bisher war er sich dabei sicher gewesen, dass der ehemalige Verlobte Guinievaires ihn genauso wenig ausstehen konnte wie anders herum, aber scheinbar hatte Marion sich inzwischen seine Dankbarkeit und seinen Respekt verdient, was einzig bedeuten konnte, dass Anthony bei Weitem zu leichtgläubig war, um in der Welt bestehen zu können.
„Danke dafür, dass du mir geholfen hast,“ meinte er tatsächlich mit einem kräftigen Nicken und erhob dann sein schmutziges Glas. „Du hast das Richtige getan.“
Dies fand Marion ebenfalls, also griff auch er nach seinem Bier und sie stießen an, wie gute Freunde es zu tun pflegten. „Ich will nur, dass sie glücklich ist,“ antwortete er, als sie beide getrunken hatten, wobei er fast ein wenig verräterisch lächelte, denn er hatte soeben beschlossen, nächste Woche vor Ort zu sein, wenn Anthony versuchte, Guinievaire zu befreien. Diese Szene wollte er sich immerhin auf keinen Fall entgehen lassen.
Der letzte Abend in Shropshire war ein vollkommener Abend. Stille und Wärme hingen noch vom sonnigen Tage in der leicht blauen Luft, die sich über die dämmernden Wiesen und Wälder spannte, welche sich weit erstreckten hinter Marions perfektem Garten. Immer und immer wieder musste
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