Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Barbera
Vom Netzwerk:
Geringsten verdient hatte, ganz bestimmt nicht mehr in den Genuss ihrer Gesellschaft kommen würde.
    Mit behutsamen Schritten in hohen Schuhen stieg Guinievaire den kleinen Abhang von der Veranda zu ihm herab, dem kleinen, grauen Kiesweg folgend, der bis zum Pavillon und zum Teich hinüber führte. Sie hatte den Rock ihres herrlichen, dunkelblauen Abendkleides gerafft, eine teure, schwer bestickte Robe, in der sie atemberaubend aussah – nur ganz ohne Kleidung hatte sie Marion bisher besser gefallen. Als sie vor ihm stand, lächelte sie, woraufhin er sich eilig erhob und es ihr gleich tat.
    „Können wir vielleicht ein Stück gehen?“ fragte sie in einem sanften Tonfall, woraufhin er natürlich nickte.
    „Sicher,“ antwortete er und schob die schmutzigen Hände in die Hosentaschen, bevor Guinievaire sie abfällig mustern konnte. Noch niemals zuvor war ihm dabei der Gegensatz zwischen ihnen derart offensichtlich erschienen: sie, in diesem Kleid, die Haare kunstvoll im Nacken verschlungen, über und über mit Saphiren behangen, so weiß, mit ihren langen Wimpern und den roten Lippen, sie sah beinahe unnäturlich aus. Und Marion? Seine Hose war schmutzig, seine Fingernägel verkrustet, er hatte geschwitzt und seine Lider waren schwer. Sie mussten grauenhaft zusammen aussehen, realisierte er plötzlich, aber Guinievaire schien sich daran ganz und gar nicht zu stören. Sie hatte den Weg zum Teich eingeschlagen und lächelte nach wie vor sanft. „Morgen werde ich abreisen,“ begann sie.
    „Ich weiß,“ erwiderte Marion und sah auf den spitzen Kies zu ihren Füßen. Obwohl er sich sicher war, dass er sie unter wesentlich besseren Umständen wiedersehen würde, schmerzte es ihn doch ein wenig, sich von Guinievaire zu verabschieden. Immerhin war sie das erste Mädchen, in das er sich wirklich und wahrhaftig verliebt hatte.
    Über den gut gepflegten Gartenteich führte eine kleine Brücke aus teurem, asiatischem Holz, in deren Mitte Guinievaire anhielt. Sie lehnte sich gegen das aufwendig geschnitzte Geländer und ihr wertvoller Schmuck glitzerte umso mehr, wo sich das Licht der winzigen Wellen in den schönen Steinen brach. Marion stellte sich ihr gegenüber und sah sie stumm an, wie es ihm inzwischen bereits vollkommen genügte. Wie lächerlich er dank ihr geworden war und wie wenig er sich an dieser Tatsache zugleich störte! Es war sehr bedenklich, was von Tag zu Tag mehr mit ihm geschah.
    „Ich bin nicht wirklich mit Alex verlobt,“ erklärte sie schließlich mit gehobenen Augenbrauen. „Wir spielen meiner Tante lediglich etwas vor, damit ich endlich diesen Ort verlassen darf.“
    Dies wusste Marion natürlich ebenfalls, vermutlich hatte er es schon lange vor ihr gewusst, immerhin war er auch ein wesentlicher Teil dieses verschlagenen Plans. Dies durfte Guinievaire jedoch, dessen war er sehr eindringlich ermahnt worden, niemals erfahren. Der Lord, das Genie hinter all diesen raffinierten Intrigen, saß noch auf der Terrasse und las, wobei es Marion deutlich lieber gewesen wäre, er läge schon im Bett. In seiner Anwesenheit fühlte er sich zugleich minderwertig und unfrei in seinem Handeln.
    „Nun, ihr beide seid dennoch sehr überzeugend in euren Rollen,“ seufzte er mit einem etwas schwachen Lächeln. War er zu leichtgläubig gewesen? Der Lord hatte ihm lediglich versprochen, Guinievaire würde Tony nicht heiraten und zurück nach London kommen. Was, wenn er in ihrer gemeinsamen Abwesenheit dafür sorgte, dass sie sich stattdessen in ihn verliebte, wenn sie dies nicht sogar schon lange getan hatte? Immerhin war Lord Lovett genau der Mann, den Marion sich für Guinievaire ausgemalt hatte.
    Dieser finstere Gedankengang wurde jedoch unterbrochen, als seine viel begehrte Freundin eine seiner Hände aus der Hosentasche zog und sie mehr als fest drückte, während Marion sie beschämt an seinem Hemd abwischen wollte, aber er wollte sie ebenso wenig wieder loslassen.
    „Marion, bevor ich gehe, wollte ich mich bei dir bedanken,“ flüsterte sie mit einem eindringlichen Blick. „Und ich wollte mich entschuldigen für mein rücksichtsloses Verhalten dir gegenüber im Mai.“
    Empört winkte Marion dies ab, denn um keinen Preis ließe er es zu, dass sie sich dafür entschuldigte, mit ihm geschlafen zu haben. Egal was sie sagte, er wusste, dass sie es nicht bereute und dass sie es nicht getan hatte, einzig weil es nötig für sie gewesen war. Zuweilen war sie rücksichtslos, aber zugleich achtete sie wenig auf das,

Weitere Kostenlose Bücher