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Ein sinnlicher Schuft

Ein sinnlicher Schuft

Titel: Ein sinnlicher Schuft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celeste Bradley
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sondern bei Mr Lambert bleiben wollte. Bis zu diesem Moment war niemand so wichtig für seine Schwester gewesen wie er.
    Evan dachte daran, was er in der Nacht zuvor beobachtet hatte, als er vor dem Feuer schlief und sich auf die andere Seite drehte. Da sah er, wie Pru und Lambert vor dem Fenster standen und sich zu seiner Überraschung umarmten. Na ja, Lambert hatte Pru umarmt, aber sie ließ es geschehen, ohne ihm auf die Finger zu hauen oder sonst etwas zu tun wie bei den Typen im Theater, die ihr zu nahe gekommen waren.
    Dabei war Evan eigentlich gerade zu der Überzeugung gelangt, dass er Mr Lambert gar nicht so schlecht fand. Er war ein anständiger Kerl, und vor allem mochte Hector ihn mehr als jeden anderen. Und Hectors Meinung zählte für Evan, genau wie die von Melody, obwohl sie im Grunde noch wie ein Baby jeden für ihren neuen besten Freund hielt. Trotzdem: Sie liebte Onkel Colin, und er liebte sie.
    Auch die Leute von der Wanderbühne mochten Mr Lambert am Ende, was alles in Evans Augen für ihn sprach. Nur konnte er sich nicht an den Gedanken gewöhnen, dass Pru ihn eventuell lieber haben könnte als ihren eigenen Bruder. Denn dann bestand irgendwie die Gefahr, dass sie ihn verließ, oder? Einfach ohne ihn weiterzog mit Lambert und Hector und Melody.
    Das wird sie nicht tun, nie und niemals. Das bringt sie nicht übers Herz.
    Aber sie hatten sich wirklich schrecklich lange umarmt.
    Melody kuschelte sich näher an ihn und lächelte zu ihm hoch. Gordy Anns Geschichte war offenbar zu Ende. »Das Spiel gefällt mir. Ich hab das auch oft im Browns gespielt.«
    »Was für ein Spiel?«
    »Verstecken. Ich kann mich gut verstecken«, plapperte sie aufgeregt gegen das Toben des aufkommenden Sturms an. »Ich kann ganz leise sein und mich verstecken, und dann findet mich keiner außer Billywick. Er ist ziemlich schlau.« Sie lehnte den Kopf an seine Schulter. »Du bist genauso schlau. Ich wette, du findest mich auch.«
    »Is ja nicht schwer«, sagte Evan brüsk. »Ich müsste bloß lauschen.«
    »O nein. Ich kann mucksmäuschenstill sein. Nur schlaf ich manchmal ein, und dann sind alle sauer auf mich und sagen, sie hätten sich Sorgen gemacht. Ich weiß gar nicht, warum.«
    »Vielleicht solltest du jetzt ein Schläfchen machen, oder?«
    »Nein. Bin nicht müde.«
    »Hm. Ich auch nicht.«
    Sie duckten sich in ihre Nische unter dem kleinen Dach. Das Einzige von dem imposanten Gebäude, was die Jahrhunderte überdauert hatte. Vielleicht handelte es sich auch bloß um einen niedrigen Schuppen, den man irgendwann an die Klostermauern angebaut hatte. Sogar ein paar Schindeln waren noch auf dem Dach, und zumindest schützte es sie einigermaßen vor dem Unwetter. Sie hatten sich auf das aufgeschüttete Stroh in der hintersten Ecke zurückgezogen und versuchten sich gegenseitig zu wärmen.
    Als es richtig losging mit dem Gewitter, bekam Melody es doch mit der Angst zu tun und zuckte bei jedem Blitz zusammen. »Hab keine Angst, Mellie. Das is bloß wie das Feuerwerk über der Bucht beim Geburtstag des Prinzregenten«, tröstete Evan sie.
    »Feuerwerk?«
    Melody hatte nur in London gelebt, kannte die Spektakel nicht, die man in Brighton zum Wiegenfest des Prinzregenten veranstaltete, der für seinen schwermütigen Vater die Regierungsgeschäfte führte.
    »Das is wie eine Schau, bei der sie Feuer in die Luft jagen und das dort explodiert. Und dann fallen viele kleine Sterne vom Himmel. Das knallt und zischt, und je mehr es knallt, umso mehr Sterne gibt’s– in Silber und Gold, die runterregnen, nur dass sie wie Glitzer aussehen.«
    »Mir gefallen Sterne«, sagte sie hingerissen. »Mir gefällt Gold und Glitzerzeug.«
    »Siehst du, und wir haben unser eignes Feuerwerk, ganz allein für uns.«
    In diesem Augenblick zuckte ein Blitz, blendend und stark, eine Sekunde später von tosendem Donnern gefolgt. Evan schrie begeistert auf und klatschte in die Hände. »Der war gut! War der nich gut, Mellie?«
    Die Augen weit aufgerissen und wegen des ohrenbetäubenden Lärms fast weinend schlug Melody schwach ihre Händchen gegeneinander.
    »So nicht«, sagte Evan. »Komm mit.« Er zog sie auf die Füße, klopfte ihnen beiden das Stroh ab und setzte sich mit ihr direkt in die Türöffnung, von wo aus sie den besten Blick auf den Himmel und die vom Wind gepeitschten Bäume hatten. »Pass auf, gleich werden wir ’ne richtig gute Schau zu sehn kriegen!«
    Melody kaute auf ihrer Unterlippe herum, doch gebannt beobachtete sie den Himmel.

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