Ein sinnlicher Schuft
Als der nächste Blitz zuckte, jubelte Evan und tanzte und applaudierte, während Melody unsicher kicherte, aber beim nächsten Blitz sprang sie auf die Füße und hüpfte ebenfalls begeistert auf und ab.
»Der war gut, Evan. War der nicht gut?«
Evan grinste. »Ja, der war richtig gut, Mellie.« Sie hatte keine Angst mehr.
Und jetzt, da er darüber nachdachte, er auch nicht.
Achtundzwanzigstes Kapitel
P ru hatte Glück und fiel nicht die ganze Treppe nach unten, als Manx sie unsanft durch die Kellertür schob. Sie rappelte sich also auf und stieg vorsichtig in der Dunkelheit die Stufen nach unten, um so rasch wie möglich bei Colin zu sein. Sie sah ihn auf dem Boden liegen, einen reglosen, schlaffen Körper in dem Viereck aus Licht, das durch die geöffnete Kellertür von oben hereinfiel.
Dann schlug die Tür zu, und völlige Finsternis umgab sie. Sie tastete sich langsam vor, bis ihre Hände Stoff fühlten, darunter ein festes Körperteil, seine Wade. Sie ließ ihre Hände suchend nach oben gleiten, bis sie an seinem Kopf ankam. Große Verletzungen oder Beulen fand sie keine. Als er ihre Berührung spürte, bewegte er sich, richtete sich ein wenig auf. »Ich kann nichts sehen.«
Sie seufzte erleichtert. »Wir sind im Keller.«
»Ich höre Regen.« Er sprach undeutlich.
»Ja«, erklärte sie. »Draußen stürmt es.«
Eine kalte Hand legte sich auf ihren Arm und wanderte zu ihrer Hand herunter. »Pru.«
»Ja, ich bin es.«
Er widersprach mit schwerer Zunge. »Nein, du bist die damenhafte Pru. Wo ist die andere, meine Pru?«
Sie lachte, den Tränen nahe. »Gleich hier, Chef.«
Er zog sie an sich und flüsterte undeutlich, aber eindringlich. »Pru, das sind Banditen, und zwar ganz üble Burschen.«
»Ich weiß.« Sie strich ihm mit der Hand über die Stirn. »Wie fühlen Sie sich?«
»Ich schwebe. Oder versinke. Fühlt sich gut an.«
»Kommen Sie.« Sie stand auf und zog an seinem Arm. »Können Sie stehen?«
Er versuchte sich aufzurichten, schaffte es allerdings nur auf die Knie. »Pru?«
»Ja.«
»Sag ›Ja, Chef‹.«
»Ja, Chef.«
»Das sind Banditen, Pru.«
»Ich weiß, Chef.«
»Ich leg mich jetzt hin.« Er entglitt ihrem Griff und sank wie eine Puppe zusammen, als hätte er keinen Knochen im Leib. Pru strich mit den Händen über den Boden und stellte beruhigt fest, dass er trocken war. Kalt, aber zum Glück nicht feucht, und so ließ sie Colin erst einmal dort liegen, um den Keller zu erkunden, soweit das im Dunkeln möglich war.
Sie tastete sich an den Wänden entlang und kam deprimierend schnell an ihren Ausgangspunkt zurück. Der Raum war winzig, kaum größer als ein Schrank, und den meisten Platz beanspruchten Säcke voller Kartoffeln und Pastinaken. Keine Außentür. Kein Fenster.
Kein Ausweg.
Wieder bei Colin wischte sie sich die Hände am Rock ab und kniete sich zu ihm.
»Drehn Sie sich um, Chef.« Wenn er auf dem Rücken lag, würde er wenigstens nicht den Staub einatmen. Er tat wie ihm geheißen und rollte sich herum, doch weil er dabei ihren Arm festhielt, landete sie auf ihm, das Gesicht dicht an seinem. Sein sonst so frischer Atem roch unangenehm süß nach Opium.
»Ich spüre deine Brüste«, sagte er. »Habe sie immer bewundert, sie sind wundervoll.«
»Äh…, danke.«
»›Danke, Chef.‹ Ich mag es, wenn du mich so nennst.« Für eine Weile summte er unmelodisch vor sich hin. »Sag Chef zu mir.«
»Ja, Chef.« Zweifellos beeinträchtigte das Opium unverändert sein Denk- und Wahrnehmungsvermögen. Sollte sie versuchen, ihn wachzuhalten, oder ihn lieber schlafen lassen? Sie wusste nicht, was besser war, fürchtete nur, er könnte nie wieder erwachen. Deshalb rüttelte sie ihn heftig an der Schulter. »Wach auf, Colin. Wachen Sie auf, Chef!«
Seine Arme schlossen sich um sie und zogen sie enger zu sich heran. »Mmh.« Er schnupperte an ihrem Hals. »Du riechst so gut. Immer riechst du so gut.«
Sie legte die Hände auf seinen Brustkorb, um sich von ihm wegzudrücken, doch sein Griff lockerte sich nicht. Im Gegenteil. Er wurde noch fester, bis sich schließlich sein ganzer Körper an ihren presste. Vertraute Hitze strömte durch ihre Adern. Lust? In dieser Situation? Wie unangemessen. Dann sah sie es von der praktischen Seite. Immerhin schien ihn das vom Einschlafen abzuhalten.
Auch nicht schlecht, unpassendes Verhalten mit einer derart rationalen Begründung zu legitimieren. Bravo!
Na und? Pru fand es eigentlich ganz schön. Trotz der widrigen Umstände.
In
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