Ein sinnliches Angebot
Beim Anblick der unbezahlten Rechnungen verkrampfte sich Faiths Magen. Wie schön wäre es, dachte sie, jetzt jemanden anrufen zu können, der zu mir steht und mich tröstet. Jemanden, der durch dick und dünn mit mir geht.
Ihre Eltern waren zwar wundervolle, liebevolle Menschen, doch bei Schwierigkeiten hatte Faith sich nie an sie gewandt. Tagtäglich hatten sie mit Hilfesuchenden zu tun, und von ihren Kindern erwarteten sie, dass sie ihre Probleme selbst lösten.
Faith hätte ihre Schwester anrufen können, aber im Moment wusste sie nicht einmal, unter welcher Telefonnummer sie zu erreichen war.
Eigentlich hatte Faith sich immer über ihre Unabhängigkeit gefreut, doch im Moment fühlte sie sich einsam. Natürlich könnte sie Shelby anrufen, aber ihre Freundin empfahl Sex gegen Einsamkeit, doch offenbar hatte sie Luke abgeschreckt, auch wenn sie nicht wusste, wodurch.
Anscheinend war sie in der Rolle der Verführerin nicht besonders gut. Dabei hätte sie geschworen, dass kein Mann ihr Angebot von unverbindlichem Sex ablehnen würde.
Offenbar hatte sie ihre Wirkung auf Männer überschätzt.
Hast du wirklich gedacht, du kannst einen sinnlichen und aufregenden Mann wie Luke sexuell befriedigen? Faith seufzte und dachte, dass es vielleicht besser war, dass nichts geschah. Er tut uns beiden einen Gefallen, wenn er nicht auftaucht, beruhigte sie sich. Wenn sie jetzt näher darüber nachdachte, fiel ihr auch wieder ein, dass Sex wie Schokolade war. Während man ihn genoss, machte es Spaß, aber hinterher hatte man nur Probleme.
Ja, ohne Sex war sie besser dran.
Tief aufseufzend ging sie zum Schreibtisch und sortierte die Rechnungen, um sich abzulenken. Natürlich hätte sie in diesem Moment lieber in Lukes Armen gelegen, aber so war das Leben nun mal. Für Trübsal hatte sie keine Zeit.
Außerdem benötigte sie ihre Zeit und Energie für die Klinik. Sie wollte unnötiges Leid lindern, und genau das tat sie tagtäglich. Darauf war sie stolz.
Faith lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und legte ihre Füße in den Hasenohrenschuhen auf den Schreibtisch. Wenn sie sich selbst gegenüber vollkommen ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass sie manchmal wirklich ein bisschen einsam war, das wusste sie.
„Ach, reiß dich zusammen“, sagte sie sich und richtete sich auf. Entschieden öffnete sie in ihrem Computer das Buchhaltungsprogramm. Dann blätterte sie die Rechnungen durch. Welche musste sie sofort bezahlen, und welche konnten warten?
Die meisten landeten auf dem Stapel, der noch warten musste.
Mitten in der Arbeit merkte Faith, dass ihr schwindlig wurde. Das ärgerte sie, denn sie verstand nicht, wieso. Sie hatte ausreichend geschlafen. Wieso fühlte sie sich auf einmal wieder so elend? War das der Stress? Im Moment rührte ihr einziger Stress von dem ungestillten Verlangen nach Sex her, und das verdankte sie Luke Walker, der die besten Küsse der Welt verteilte.
Um sich etwas zu beruhigen zündete sie ihre Lieblingskerzen mit Vanilleduft an und konzentrierte sich auf ihre Atemtechnik. Außerdem holte sie sich etwas Schokolade aus ihrem Vorrat für Notfälle.
Sofort ging es ihr besser, und sie sortierte die Rechnungen zu Ende. Jetzt musste sie nur noch die Überweisungsformulare in den Drucker legen und die Überweisungen ausdrucken. Anschließend konnte sie ins Bett gehen. Allein. Aber das war sie ja gewohnt.
Faith schloss die unterste Schublade auf und fluchte, als sie sah, dass sie keine Formulare mehr hatte. Einen Moment lang resignierte sie und dachte, dass es zur Abwechslung mal nett wäre, wenn sie die Verantwortung für die Klinik nicht mehr allein tragen müsste.
Doch sie hatte auch ihren Stolz. Es fiel ihr schwer, andere um Hilfe zu bitten. Wen hätte sie auch fragen sollen? Ihre Angestellten arbeiteten bereits bis an die Leistungsgrenze, und von ihrer Familie konnte sie keine Unterstützung erwarten. Jemand anderen gab es nicht.
Luke, dachte sie, doch sie wusste, was er von der Klinik hielt. Er war nur aus schlechtem Gewissen zurückgekehrt.
Laut seufzend stand Faith auf und verließ ihr Büro. Die Überweisungsformulare lagen natürlich ganz oben im Regal in dem Lagerraum, in dem Luke ihr heute fast den Verstand geraubt hatte. Faith betrat den Raum und sah sich nach der Leiter um. Jemand hatte sie weggenommen. Sie erinnerte sich, sie im Belegschaftsraum gesehen zu haben. Missmutig ging sie den Flur entlang und betrat den Aufenthaltsraum der Angestellten.
Faith konnte es erst nicht
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