Ein Sixpack zum Verlieben (German Edition)
geradezu überschlagen, um ihr etwas zu essen und zu trinken zu besorgen. Besonders Sven hat sich beim Essen um sie bemüht und versucht, ihre Familienverhältnisse zu erkunden. Geschickt hat Laura immer wieder schnell das Thema gewechselt. Wenigstens das hat sie in all den Jahren mit Helene gelernt. Wenn die Zwergin hartnäckig etwas von ihr will, geht sie einfach mit einem anderen, völlig belanglosen Thema darüber hinweg. Diese Fähigkeit hat Laura so manches Mal davor bewahrt, auszurasten. Sie weiß genau, dass sie den Kürzeren ziehen würde. Helene hat Macht über Manfred und damit über ihre Schwiegertochter. So schön das Einfamilienhaus ist, Laura würde es gerne hergeben als Komplettpaket inklusive Helene. Sie mag sich gar nicht vorstellen, wie das mit dem Drachen weitergehen soll. Je älter er wird, desto grantiger, besserwisserischer und unerträglicher erscheint Laura sein Verhalten. Wie oft hat sie mit Manfred darüber diskutiert, seiner Mutter einen Platz in einem Seniorenheim zu kaufen. Das Geld dafür hätte sie allemal. Es gibt eine richtig tolle Residenz ganz in ihrer Nähe, wo die Senioren so lange unabhängig bleiben können, wie sie wollen. Helenes Kommentar zu einer solchen Möglichkeit: „Dort sind mir die Leute zu alt.“ In Wahrheit meint die Zwergin natürlich, dass sie auf das Herumkommandieren der Schwiegertochter nicht verzichten will. Das Leben im Seniorenheim wäre zu langweilig. Laura ist allerdings davon überzeugt, dass Helene überall ein Opfer zum Tyrannisieren finden würde.
Nur einmal wurde Helene richtig vorgeführt. Nie wird Laura vergessen, als sich die Schwiegermutter einbildete, kurz vor einem Blinddarmdurchbruch zu stehen. Mitten in der Nacht kreischte es plötzlich durch alle Türritzen, und Laura war sofort in Alarmbereitschaft, während Manfred sich grummelnd auf die andere Seite des Bettes rollte. Wie dies bei fast allen Müttern dieser Welt der Fall ist, reagiert Laura auf jedes Geräusch und ist auf der Stelle wach. Schnell begab sie sich barfüßig in Richtung der Schreie, die aus Helenes Zimmer kamen. Laura war direkt erleichtert, dass es sich nicht um Max handelte, der natürlich genau wie sein Vater selig schlummerte.
Die Zwergin saß senkrecht im Bett und stöhnte wie eine Dampfwalze vor sich hin. Dabei fasste sie sich an den linken Unterleib. Laura fragte sie gleich, was denn los wäre.
„Siehst du das nicht?“, krächzte Helene ihr empört entgegen.
„Glaubst du, ich schreie aus Langeweile?“
„Wo hast du denn Schmerzen?“, versuchte sich Laura unbeirrt dem Problem zu nähern.
„Links, Blinddarm! Wo bleibt der Notarzt?“
„Sitzt der Blinddarm nicht rechts?“, mutmaßte die Schwiegertochter vorsichtig. Laura merkte schnell, dass eine Diskussion darüber sowieso nichts bringen würde.
Sie fackelte nicht länger und rüttelte Manfred wach, der alles andere als begeistert darüber war. Zu ihrem Erstaunen schienen ihn die Schmerzen seiner Mutter gar nicht zu bekümmern.
„Wahrscheinlich kann sie nicht schlafen und will was vorgelesen bekommen!“, bemerkte er mit einem ironischen Unterton.
„Bitte fahr deine Mutter vorsichtshalber ins Krankenhaus! Wir sollten kein Risiko eingehen.“
„Wieso ich? Ich muss morgen wieder fit für meinen Gerichtsauftritt sein. Fahr du! Kannst den Schlaf ja dann später nachholen.“ Schon schnarchte Manfred weiter.
Laura gab sich wohl oder übel geschlagen. Mit Protest ließ sich Helene unter weiterem Stöhnen von ihr notdürftig beim Anziehen helfen und in den Golf verfrachten.
In der Notaufnahme war zunächst niemand. Auf das Klingeln an der Pforte erschien endlich die Nachtschwester und nahm die vor sich hin Stöhnende in Empfang. Sie hatte eine burschikose Art, mit Patienten umzugehen, sodass Helene gleich ihre Schmerzen vergaß und verstummte. Sie hatte ihre Meisterin gefunden.
Der diensthabende Arzt stellte dann lakonisch fest, dass die Patientin am Vortag etwas zum Essen genossen haben musste, was zu starken Blähungen geführt hatte. Laura konnte es kaum fassen, als der Arzt diese Diagnose stellte und sie die Zwergin wieder mit nach Hause nehmen sollte. Insgeheim hatte sie frohlockt, Helene vielleicht einige Tage los zu sein. Natürlich hätte sie ihrem Schwiegermonster keinen Blinddarmdurchbruch gewünscht, aber eine Reizung wäre schon ausreichend gewesen, um einige Tage zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben zu müssen. Deshalb fragte Laura vorsichtshalber beim Arzt noch mal nach: „Sind Sie
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