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Ein skandaloeser Kuss

Ein skandaloeser Kuss

Titel: Ein skandaloeser Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Moore
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Mitgefühl Platz. „Ihr wurde Diebstahl vorgeworfen, genau wie Ihrem Vater. Der offenbar am Leben ist und seine Strafe in Australien verbüßt.“
    Nell starrte ihn an wie betäubt. Sie brachte keinen Ton über die Lippen, mochte nicht glauben, was sie gerade gehört hatte.
    Er faltete die Papiere auf und hielt sie ihr hin. „Das ist eine Kopie des Prozessprotokolls einschließlich Urteil, dazu die Angaben über das Sträflingsschiff und die Liste der Überlebenden, auf der sich sein Name befindet.“
    Sie nahm sie entgegen, doch als sie darauf schaute, verschwammen die Buchstaben vor ihren Augen. Angestrengt blinzelnd blickte sie auf. Die Glasgefäße auf dem Bord hinter Lord Bromwell waren merkwürdig unscharf und schienen zu schwanken. Dann entglitten die Papiere ihrer Hand und fielen zu Boden, und plötzlich wurde alles schwarz um sie her.
    Ganz langsam kam Nell zu sich. Jemand tupfte ihr die Stirn und die Wangen mit einem feuchten Tuch ab, dann spürte sie Lippen, wo zuvor Stoff ihre Haut berührt hatte, und hörte Lord Bromwell leise ihren Namen rufen und sagen, dass es ihm leidtue.
    Sie öffnete die Augen und stellte fest, dass sie nicht träumte. Stattdessen lag sie zugedeckt auf dem Sofa in seinem Labor, und er saß bei ihr. Eine Schüssel Wasser stand auf einem Schemel neben ihm.
    „Es tut mir unendlich leid“, sagte er noch einmal und nahm das feuchte Tuch von ihrer Stirn. „Ich hätte nicht einfach annehmen dürfen, dass Sie mich belügen, sondern einkalkulieren sollen, dass Sie für wahr halten, was Sie mir erzählen.“
    Über ihre Eltern. Die nicht beide tot waren, wie man ihr mitgeteilt hatte.
    „Sind Sie sicher, dass Ihre Informationen stimmen?“, flüsterte sie heiser und griff nach seiner Hand wie nach einem Rettungsanker.
    Lord Bromwell nickte. „Drurys Quellen sind absolut zuverlässig, und die Unterlagen beweisen es. Letzteren zufolge wäre Ihre Mutter vermutlich freigesprochen worden, doch das Beweismaterial gegen Ihren Vater war erdrückend. Vielleicht zog er es deshalb vor, Sie in dem Glauben zu lassen, er sei tot.“
    „Vielleicht“, murmelte sie und fragte sich, ob das stimmen konnte. „Beging er den Diebstahl, weil er Schulden hatte?“
    „Das scheint mir die einleuchtendste Erklärung. Wie erfuhren Sie von seinem angeblichen Tod?“
    „Ich erhielt einen Brief von einem Vikar in Bristol – oder besser gesagt, jemandem, der behauptete, Vikar zu sein“, setzte sie verunsichert hinzu. Wem oder was konnte sie überhaupt noch glauben, wenn es um ihre Eltern ging? „Er schrieb, mein Vater und meine Mutter seien an einem ansteckenden Fieber gestorben und umgehend bestattet worden. Zu seinem Bedauern sei kein Geld da gewesen für einen Grabstein. Ich hatte vor, hinzufahren und einen zu kaufen, sobald ich meinen Lohn von Lord Sturmpole erhielt.“ Sie hob die Schultern. „Es gab keinen Grund für mich anzunehmen, dass das, was er schrieb, nicht der Wahrheit entsprach. Ich wusste nicht, dass meine Eltern eines Verbrechens beschuldigt wurden, geschweige denn, dass sie im Gefängnis waren.“
    „Wie hieß der Vikar?“
    „Smith.“
    Lord Bromwell zog die Stirn in Falten. „Ein häufiger Name, aber es sollte möglich sein herauszufinden, ob es zu der Zeit einen Vikar Smith in Bristol gegeben hat. Es könnte freilich sein, dass Ihr Vater den Brief selbst verfasste oder einen Freund bat, es für ihn zu tun.“
    Um ihr Leid und Scham zu ersparen. „Das ist möglich“, räumte sie zögernd ein und dachte an ihren warmherzigen Vater und ihre hübsche Mutter. Hatten sie gewusst, dass ihnen Gefängnis drohte, als sie sie zu ihrer Schule gebracht hatten?
    „Es gab keinen Anlass, an der Nachricht zu zweifeln“, fuhr sie leise fort. „Meine Mutter, die stets eifrig korrespondierte, schrieb nicht mehr. Weder sie noch mein Vater nahmen je wieder Kontakt zu mir auf. Hätten sie es getan, ich wäre sofort zu ihnen geeilt, egal was man ihnen vorwarf. Wenn ich mir vorstelle, dass meine Mutter an einem solchen Ort sterben musste …“
    Sie drehte den Kopf zur Sofalehne und schluchzte erstickt.
    „Weinen Sie ruhig, Miss Springley“, sagte Lord Bromwell sanft. „Sie haben einen schrecklichen Schock erlitten, und die unentschuldbare Grobheit, mit der ich Ihnen die Neuigkeiten beibrachte, trug das ihre dazu bei.“
    Nell drehte ihm den Kopf wieder zu und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. „Ich glaube nicht, dass eine andere Form der Mitteilung einen Unterschied gemacht hätte.

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