Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
sein eigenes Verhalten amüsierte ihn. Diese Landpartie versprach wirklich ausnehmend unterhaltsam zu werden.
Susanna hatte inzwischen bemerkt, dass die Aufmerksamkeit der jungen Damen unter der Anwesenheit der Herren litt. Sie beendete die Malstunde und kam herüber zu den Pavillons. Sie sah ihn an, ohne zu erröten oder seinem Blick auszuweichen, und erneut stellte er fest, wie faszinierend er sie fand. Er zog den Skizzenblock unter ihrem Arm hervor, und sie ließ es geschehen. »Darf ich einen Blick hineinwerfen?«
»Würden Sie meinen Wunsch respektieren, falls ich ablehne?«, gab sie trocken zurück.
»Wahrscheinlich nicht. Aber ich würde es niemanden merken lassen, was für eine niederträchtige Unhöflichkeit ich da begehe.«
Am Schimmer in ihren dunklen Augen meinte er zu erkennen, dass sie ein Lächeln unterdrückte. Aha, ein Erfolg. Er öffnete das Skizzenbuch, und sein Lächeln verschwand, als er es Seite für Seite durchblätterte und staunend die Strichzeichnungen betrachtete: der abendliche Salon im Kerzenschein, Hunde, die sich im Obstgarten sonnten, ein Zug, der durch die Landschaft Richtung Norden dampfte. Und dann die Skizzen von Menschen, besser gesagt von Körperteilen. Seiten voller Hände und Köpfe in verschiedenen Haltungen und mit unterschiedlichen Mienen, das offene Haar einer jungen Dame, der Schenkel eines Gentleman hoch zu Ross. Sie besaß wirklich überragendes Talent.
Bei der letzten Skizze warf er ihr mit hochgezogener Augenbraue einen fragenden Blick zu, doch sie stemmte nur die Hände in die Hüften. »Das sind nicht Sie«, erklärte sie in mildem Ton.
»Vielleicht stellen Sie es sich aber vor.«
Sie verdrehte die Augen.
»Sehen Sie mich nicht so an«, meinte er. »Die anderen könnten sonst auf den Gedanken kommen, einen Streit unter Liebenden zu beobachten.«
»Sie werden nichts dergleichen denken. Sondern eher annehmen, dass jemand wie ich wenig Geduld mit Männern wie Ihnen hat.«
»Männern wie mir?«, wiederholte er und legte eine Hand mit einstudiertem Erstaunen an die Brust.
»Sie flirten gerne, Mr Wade, und das wissen alle. Dass Sie mir Ihre Aufmerksamkeit schenken, wird mir lediglich von allen Seiten Mitgefühl einbringen. Vielleicht sogar von den anderen Gentlemen.« Sie hielt inne und legte den Kopf nachdenklich schief. »Vielleicht sind Sie am Ende doch für etwas nützlich«, sagte sie gedehnt.
Sie wirkte fast schon verrucht, dachte Leo überrascht. Er senkte seine Stimme um eine Oktave und raunte ihr zu: »Ich nütze Frauen in vielerlei Hinsicht.«
Sie musterte ihn aus halb geschlossenen Augen. »Ja, vielleicht bringt mir Ihr beharrliches Streben, mich in die Enge zu treiben, sogar einen Vorteil.«
»Wie denn das?«, fragte er amüsiert.
»Es weckt Mitgefühl bei den anderen und bewirkt vielleicht eine gewisse Neugier, weil alle sich fragen werden, was Sie bloß so anziehend an mir finden.«
»Schön, dass Sie so viel von sich halten.« Er grinste. »Dann sind Sie also nicht nur deshalb nach Bramfield Hall gekommen, weil Sie vor mir aus London flüchten wollten?«
»Ich habe immer einen Grund für das, was ich tue, Mr Wade, und diesmal ist es schlicht und ergreifend der, dass ich einen Gentleman kennenlernen möchte, der zu mir passt. Als Lebensgefährte.«
»Wie erfrischend, das offen zuzugeben.« Wieder einmal überraschte sie ihn.
»Warum? Sollte ich mich etwa nicht mehr für heiratsfähig halten? Ich verfüge über hervorragende Beziehungen zu höchsten Kreisen, und meine Mitgift ist nicht unbedeutend. Mr Frobisher hat mich heute bereits auf meinem Spaziergang begleitet, und mit ihm kann man sich durchaus interessant unterhalten.«
»Ein Lebensgefährte also. Was für eine interessante Wortwahl.« Und dann Frobisher. Es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, dass dieser Mann Susanna überhaupt erlaubte, sich an einer Unterhaltung zu beteiligen.
»Die Ehe ist eine Partnerschaft, und die beiden Menschen müssen unbedingt zueinanderpassen, die gleichen Interessen haben und die gleichen Erwartungen.«
»Ziemlich langweilig, würde ich sagen.«
»Vielleicht für jemanden wie Sie, der ständig Unterhaltung braucht, jeden Moment des Tages.« Ihre braunen Augen funkelten.
»Vergessen Sie die Nacht nicht«, fügte er hinzu und bedachte sie mit seinem speziellen Grinsen. »Das mit der Unterhaltung sehen Sie allerdings irgendwie falsch. Ich habe einen großen Teil meines Lebens damit verbracht, meine Familie zu unterhalten, was ziemlich anstrengend war.
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