Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)
Tod geerbt hatte. Für ihn war ausreichend gesorgt, sodass er sich ein sorgenfreies Leben auf großem Fuß leisten konnte.
Das heiße Bad machte Leo träge. Trotzdem konnte er, sobald er im Bett lag, nicht einschlafen. Bilder erstanden vor seinen Augen: ein Gemälde. Ein beinahe nackter Frauenkörper. Susanna. Die Begegnung im Wintergarten. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht, als er das Gemälde beschrieb. Ihr schneller Atem, der leicht geöffnete Mund und die großen Augen, in denen er so etwas wie Interesse und vielleicht sogar Erregung gesehen hatte. Eine perfekte Ausgangssituation für seinen Plan. Er würde sie umwerben, mit Worten ebenso wie mit kleinen Berührungen, bis ihr nichts anderes übrig blieb, als sich zu ergeben.
Susanna erwachte mit einem Ruck. Im fahlen Licht des frühen Morgens entdeckte sie, dass sie mit einem aufgeschlagenen Buch auf der Brust eingeschlafen war. Sie schaute hinauf zu dem mit Rüschen besetzten Betthimmel, und die Ziele, die sie sich für diese Landpartie gesetzt hatte, kamen ihr wieder in den Sinn.
Dass sie sich Leo Wades Plänen entziehen wollte, darüber brauchte sie gar nicht erst nachzudenken. Hingegen tat sie gut daran, im Umgang mit ihm größere Vorsicht walten zu lassen, vor allem wenn sie alleine waren. Als er im Wintergarten ihr Gesicht berührte, hatte sie schon gefürchtet, er könnte zu weit gehen und die Grenzen des Anstands verletzen. Oder hatte sie es etwa gehofft? Sie musste sich selbst besser in den Griff bekommen, merkte sie. Immerhin würde er nichts unversucht lassen, ihr Geheimnis zu lüften. Fünfhundert Pfund waren immerhin keine Kleinigkeit.
Was glaubte er eigentlich, mit wem er es zu tun hatte? Sie würde seinen Schmeicheleien nie erliegen. Schließlich gehörte sie nicht zu der Sorte Frau, mit der er sich sonst abgab. Das sollte er eigentlich langsam kapieren. Dann dachte sie daran, wie er das Gemälde beschrieben hatte, und sie mochte sich nicht vorstellen, dass Männer es angafften. Sie mussten die Wette einfach gewinnen, damit niemand es künftig mehr zu Gesicht bekam.
Alle Gedanken begannen und endeten mit diesem vertrackten Mr Wade. Sie wäre wirklich besser beraten, den anderen anwesenden Gentlemen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Nur: Was sollte sie mit denen anfangen? Wie sollte sie sie kennen und einschätzen lernen. Ihr Versuch mit einer Konversation war kläglich gescheitert und hatte keinerlei hilfreiche Erkenntnisse gebracht. Immerhin wollte sie nicht irgendeinen Ehemann, sondern einen, der gebildet war und ihre Interessen teilte und vor allem ihre Arbeit für ihren Vater verstand.
Susanna seufzte. Wie sollte sie je herausfinden, welcher der anwesenden jungen Männer diesen Vorstellungen am meisten entsprach. Manchmal fürchtete sie, keiner. Plötzlich kam ihr eine Erleuchtung. Die Bibliothek! Der Mann, den sie heiratete, sollte Bücher lieben, gerne und viel lesen und sich ständig weiterbilden. Sie musste also bloß hin und wieder in die Bibliothek von Bramfield Hall schauen und nachsehen, wer sich dort so aufzuhalten pflegte.
Susanna ging die Sache pragmatisch an. Die große Liebe zu finden, damit rechnete sie nicht. Sie war keine Frau, die Leidenschaft bei Männern erweckte. Aber Respekt, gemeinsame Interessen und gute Gespräche, das hielt sie für möglich, und das würde ihr als Basis für eine Ehe reichen. Es musste doch Männer geben, die diese Anforderungen erfüllten. Und hier stand ihr immerhin eine kleine Auswahl zur Verfügung. Ein perfektes Arrangement!
Auf dem Weg zum Frühstückszimmer steckte sie gleich den Kopf in die Bibliothek. Niemand war da außer einem Dienstmädchen, das gerade den Kaminrost säuberte. Susanna warf ihr ein Lächeln zu, atmete den Geruch von Leder und Politur mit Zitronenaroma ein und wandte sich mit einem Schulterzucken ab. Vielleicht war es einfach noch zu früh.
Leo erschien erst zum Frühstück, als Susanna längst zu ihrem Spaziergang aufgebrochen war. Dieses frühe Aufstehen würde noch sein Tod sein. Außerdem spürte er deutlich die Folgen des reichlich genossenen Brandys.
Relativ schweigend widmete er sich seinen Eiern mit Speck und widerstand dem Drang zu fragen, ob irgendwer Susanna gesehen habe. Nicht dass auch noch jemand auf die Idee kam, er wolle sie womöglich heiraten. Gott behüte! Schließlich war allgemein bekannt, dass kein Mann es Susanna Leland recht machen konnte. Es wunderte ihn gar nicht, dass sie sich inzwischen der Altersgrenze näherte, ab der sie auf dem
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