Ein skandalöses Rendezvous (German Edition)
Dunkelheit auf. Sein Gesicht war eine sanftere Version seines Bruders, und er wirkte mit seiner erschöpften, ausdruckslosen Miene viel älter. Sein schwarzer Gehrock ging in eine dunkle Decke über, die den unteren Teil seines Körpers bedeckte. Er saß in einem düsteren Sessel. Fast wäre er mit den Schatten verschmolzen, wenn seine strahlende Mutter nicht mit ihrer Vitalität direkt neben ihm gesessen hätte.
»Bitte setzen Sie sich, Miss Kelmsleigh«, sagte er nach der Vorstellung. Er deutete auf einen Sessel zu seiner Rechten. Lord Sebastian blieb stehen.
»Leben Sie in der Stadt, Miss Kelmsleigh?«, fragte die Marchioness.
»Ich lebe bei Cumberworth in Middlesex.«
Ihre Augenbrauen schossen in die Höhe. Es drückte eher Geringschätzung als Neugier aus. »Cumberworth? Ich entsinne mich nicht, in den Zeitungen gelesen zu haben, dass Ihr Vater ein Anwesen in Cumberworth hat.«
Die Erwähnung ihres Vaters und der Zeitungen war kein Zufall. Audrianna nahm es der Frau übel, darauf hinzuweisen, als habe tatsächlich die Gefahr bestanden, jemand würde es vergessen. »Ich wohne bei meiner Cousine.«
»Ihre Cousine, Mrs Joyes, züchtet Pflanzen in einem großen Gewächshaus«, erläuterte Lord Sebastian. »Darin wächst sogar ein Rebstock.«
»Ein Rebstock, so, so«, erwiderte Lady Wittonbury. »Wie … rustikal.«
»Wir leben auf dem Land, Madam. Daher ist es tatsächlich ein wenig rustikal.«
»Der Garten ist überhaupt nicht rustikal«, protestierte Summerhays. »Ich bin sicher, dass er das edelste Herrenhaus mit Stolz erfüllen würde, wenn er in voller Blüte steht.«
Audrianna fand es nett von ihm, wie er ihr Zuhause auf diese Art verteidigte, auch wenn sie vermutete, dass er es einfach nur genoss, seiner Mutter zu widersprechen.
»Sie leben also nicht bei Ihrer Mutter«, dachte Lady Wittonbury laut nach. »Zwei unverheiratete junge Frauen, die allein auf dem Land leben … Das ist recht ungewöhnlich.«
»Keineswegs«, erwiderte der Marquess. »Seit dem Krieg ist es nur allzu gewöhnlich.«
»Mrs Joyes, Miss Kelmsleighs Cousine, ist tatsächlich eine Kriegswitwe«, fügte Summerhays hinzu.
Das brachte Lady Wittonbury vorläufig zum Schweigen, aber es beendete nicht ihre prüfenden Blicke.
Audrianna kam sich unter ihrer aufdringlichen Beobachtung wie ein widerwärtiger Käfer vor.
»Was für Blumen werden in diesem Gewächshaus gezüchtet?«, fragte der Marquess.
Audrianna beschrieb die Zwiebeln, die sie im späten Winter zogen, und die Amaryllis im Herbst und die vielen Pelargonien, von denen sie Ableger nahmen und die sie sogar kreuzten.
»Ihre Gärtner müssen sehr beschäftigt sein«, bemerkte Lady Wittonbury.
»Wir machen alles selbst, Madam. Oder genauer gesagt, Daphne und Lizzie machen die Hauptarbeit, und Celia und ich helfen ein wenig.«
»Lizzie? Noch mehr junge Damen. Das klingt eher nach einem Kloster.«
»Das sagt meine Cousine ebenfalls. Kein Kloster, sondern ein Beginenhof . Im mittelalterlichen Frankreich waren sie weit verbreitet. Hebammen wohnten zusammen unter einem Dach wie wir. Einige nahmen Anstellungen außerhalb der Mauern auf und niemand legte ein Gelübde ab, aber sie lebten gemeinschaftlich.«
»Ihre Cousine hat ihr Anwesen also einer guten Verwendung zugeführt«, sagte der Marquess zustimmend.
Seine Mutter erhob sich und wirkte noch beeindruckender, wie sie über Audrianna und ihrem Sohn aufragte. »Ich bin entzückt, Sie kennengelernt zu haben, Miss Kelmsleigh, und so viel über Ihr ungewöhnliches Zuhause zu erfahren. Es klingt für meinen Geschmack alles viel zu radikal und unabhängig, aber ich bin eine altmodische Frau. Nun muss ich Sie aber um Ihre Nachsicht bitten. Da ist noch eine dringende Angelegenheit, um die ich mich kümmern muss.« Sie beugte sich vor und küsste den Marquess auf den Kopf, als wäre er ein Kind. Dann warf sie Lord Sebastian noch einen strengen Blick zu, bevor sie sich verabschiedete.
»Ich werde dich hinausbegleiten«, sagte er. »Miss Kelmsleigh, während ich fort bin, würde sich mein Bruder über Ihre Gesellschaft freuen, wenn Sie so freundlich wären.«
»Ja, bitte, bleiben Sie«, bekräftigte der Marquess. »Erzählen Sie mir von dem Rebstock.«
»Warum ist sie hier?« Die Frage kam herausgeschossen, sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.
»Sie ist hier, weil ich sie eingeladen habe«, antwortete Sebastian.
»Oh, bitte, hab Nachsicht. Du klingst mit deinen sarkastischen Kniffen so sehr nach ihm .« Sie
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