Ein skandalöses Rendezvous (German Edition)
Offizierspatent gesprochen hatte. Schuldgefühle darüber, dass er das Leben seines Bruders lebte. Schuldgefühle, dass er Morgan Audriannas Zuneigung trotz dessen eingeschränkter Existenz missgönnte.
Normalerweise war er an diese Schuldgefühle gewöhnt. Doch in diesem Moment hasste er sie und alles, was damit zusammenhing. Die Verpflichtungen, die Erwartungen, die erzwungene Diskretion. Die verlorenen Freundschaften und die ermüdenden Kompromisse.
Aber was er noch mehr hasste, war die Erkenntnis, dass sich er und sein Bruder Audrianna teilten, wie vieles andere auch. Während sie ihrem Ehemann pflichtbewusst ihren Körper gab, hatte sie Morgan freiwillig einen Teil ihres Herzens geschenkt.
Doch am meisten hasste er es, zugeben zu müssen, wie sehr ihn das traf.
16
»Es klingt, als ob Lady Ferris mit Ihrer Freundin recht hat«, sagte Wittonbury sanft. »Ich glaube, Sie denken das ebenfalls.«
Audrianna wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ich glaube so etwas keineswegs. Ich werde Celia schreiben und sie einfach fragen. Wenn sie es bestreitet, werde ich es Lady Ferris unter die Nase reiben.«
»Was, wenn sie es nicht bestreitet?«
Sie wusste, wohin er sie führte.
»Sie werden andere Freunde haben, Audrianna. Bevor der erste Monat der Saison vorüber ist, wird es sympathische junge Damen geben, die Ihre Nähe suchen werden.«
Sie lehnte sich an seinem Sessel an und bewegte sich nicht von dem Platz, an dem sie sich versteckt hatte, als sie beim Betreten der Bibliothek ihre Fassung verloren hatte. Sie wollte nicht, dass er ihre Tränen sah, und jetzt wollte sie ihren Widerstand gegenüber dem verbergen, was er andeutete.
Die Decke neben ihrem Gesicht bewegte sich und streifte ihre Wange. Das riss sie aus ihren Gedanken. Sie ging erst auf die Knie, dann erhob sie sich.
»Vielen Dank, dass ich mich hier verstecken konnte, und für Ihr offenes Ohr. Es tut mir leid, dass ich geweint habe. Ich hoffe, dass ich nicht … «
Die Decke neben ihrem Gesicht hatte sich bewegt.
Plötzlich durchdrang die Bedeutung dieses Umstandes ihre Versenkung in sich selbst. Sie starrte auf die Decke und die Beine, die sie verdeckte. Seine Arme lagen noch immer auf den Sessellehnen. Er hatte diese Decke weder berührt noch daran gezogen, da war sie sich sicher.
»Ist ein Geist hinter meinem Sessel?«, fragte der Marquess. »Sie wirken so erschrocken, als ob sie einen gesehen hätten.«
Sie fasste sich. »Mir ist ein Gedanke gekommen, der mich überrascht hat. Ich werde Sie jetzt verlassen. Ich habe Ihre Freundlichkeit lange genug in Anspruch genommen.«
»Ich fürchte, dass ich Ihnen nicht so viel Trost gegeben habe, wie Sie gehofft haben.«
»Ihr Rat war ehrlich und angemessen, und Ihr Mitgefühl aufrichtig. Ich bin überaus dankbar.«
Im Gehen schloss sie die Tür der Bibliothek hinter sich. Dann suchte sie nach Dr. Fenwood. Sie fand ihn im Ankleidezimmer, wo er Wäsche faltete.
»Madam. Stimmt etwas nicht mit Mylord?«
»Ich habe ihn gerade verlassen und er ist wohlauf. Ich wollte Sie etwas fragen. Kann der Marquess seine Beine überhaupt nicht bewegen?«
Dr. Fenwoods Miene wurde traurig. Er schüttelte den Kopf.
»Nicht im Geringsten?«
»Seine Wirbelsäule wurde verletzt. Er hat von der Hüfte abwärts kein Gefühl mehr. Absolut keines.«
»Gibt es denn Hoffnung auf Besserung?«
»Nicht ohne ein Wunder. Es war einmal ein Arzt hier, ein Deutscher, der sagte, dass mit der Zeit … Er behauptete, Fälle gesehen zu haben, in denen sich der Körper nach ein paar Jahren selbst geheilt hätte. Doch bei näherer Untersuchung entpuppte sich die Reputation des Arztes bestenfalls als fragwürdig. Nein, Madam, ich befürchte, dass Mylord so bleiben wird, wie Sie ihn sehen.«
Audrianna verließ Dr. Fenwood. Sie würde aufgrund eines so kleinen Beweises wie eine Berührung auf ihrer Wange keine falschen Hoffnungen wecken. Vielleicht hatte sie sich nur eingebildet, dass sich die Decke bewegt hatte. Möglicherweise hatte sie etwas getan, um die Bewegung hervorzurufen.
Aber was war, wenn sich das Bein darunter tatsächlich bewegt hatte?
Sebastian kehrte erst lange nach Mitternacht in die Park Lange zurück. Der Ritt nach Greenwich hatte viel getan, um seine Erschütterung zu mildern, und in den paar Stunden, die er durch das Teleskop des Observatoriums in den Himmel geblickt hatte, war es ihm gelungen, die Wut, die ihn ergriffen hatte, zu vergessen. Der Sturm hatte sich noch nicht vollkommen verzogen, als er seine
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