Ein Sommer mit Danica
willen! Du bist verrückt, Danica. Du kennst Bizeps-Karle nicht.« Corell legte den Arm um ihren Leib. Die Wärme ihres Körpers, die Zärtlichkeit, die er ausströmte, erweckten in ihm das Gefühl einer unnennbaren Geborgenheit. »Er tippt dich nur an, und ich kann dich mit Blaulicht und Sirene ins Krankenhaus bringen lassen. Du rührst dich nicht aus der Wohnung, Danica.«
»Und die Patienten?«
»Keine Illusionen, Liebling – es werden keine kommen.«
»Wir könnten die 123, – DM gut gebrauchen, Sascha.«
»Es ist leichter, einen Finanzminister anzupumpen, als von Bizeps-Karle Geld zu bekommen. Er hat bisher die alten Rechnungen immer nur dann bezahlt, wenn er mit einer neuen Verletzung kam. Dann mußte er zahlen, oder ich habe ihn sitzen lassen.«
Danica schwieg, aber das hieß nicht, daß für sie das Thema beendet war oder Sascha sie überzeugt hatte. Sie dachte angestrengt über Bizeps-Karle nach und weckte Corell, der in ihren Armen wieder eingeschlafen war, als es sieben Uhr war.
Bis acht Uhr räumten sie um, schoben die protzigen Polstermöbel in die Praxis … die Sessel ins Wartezimmer, die Couch ins Ordinationszimmer, wo Corell die zusammengebettelten Geräte aufgebaut hatte. Es war eine jämmerliche Praxis, und Corell fragte sich selbst sehr kritisch, ob er als Patient auch nur eine Minute hier bleiben würde, trotz guter Worte und Ausstrahlung von Vertrauen. Er zog den neuen Arztkittel an, den er gestern auf dem Rückweg vom Gesundheitsamt in einem Warenhaus gekauft hatte, steckte das Membranstethoskop – ein Geschenk des Kollegen Dr. Meierhoff – in die linke Tasche und sah dann auf die Uhr. Gleich acht.
In der Küche kochte Danica Kaffee, kam schnell herausgelaufen, gab ihm einen Kuß und sagte: »Du siehst wundervoll aus, Sascha –«
Dr. Corell hob die Schultern. Er verschwieg ihr, was er dachte. Früher waren die ersten Patienten schon um halb acht gekommen, wenn um acht die Sprechstunde begann. Jetzt rührte sich nichts. Kein Klingeln, kein Anruf von Patienten, die einen Hausbesuch wünschten.
Er wartete die Gelegenheit ab, wo Danica in der Küche den Tisch deckte, um schnell zur Wohnungstür zu laufen und sie einen Spalt zu öffnen. Wie erwartet: Bizeps-Karle stand draußen im Treppenhaus und grinste Corell breit an. An ihm würde niemand vorbeikommen … ein Muskelberg, dessen Anblick allein genügte, um jegliche Absicht, Dr. Corell zu sprechen, schon im Ansatz zu ersticken.
Als Corell zurückkam ins Sprechzimmer, saß Danica auf der neuen gelben Couch. »Er ist da, dieser Karle«, fragte sie.
»Nein.«
»Lüg nicht, Sascha. Du kannst nicht lügen. Du hast zu ehrliche Augen.«
»Ich werde ab sofort bei dir immer eine Sonnenbrille tragen.«
»Dann lese ich es an deinen Lippen ab.« Sie sprang auf, aber Corell stellte sich mit ausgebreiteten Armen vor die Tür. Wirkliche würgende Angst war plötzlich in ihm. »Danica –«, sagte er heiser. »Wenn du jetzt hinausgehst … ich binde dich irgendwo an!«
»Versuch es doch, Liebling!« Sie stand ihm nahe gegenüber, ihre grau-grün-braunen Augen flackerten. »Ich kratze dir alle deine Wunden wieder auf … Ich verspreche es dir … Rühr mich nicht an … Geh von der Tür weg …«
»Nein! Danica! Du kennst diese Sorte von Mensch noch nicht!«
»Sie kennt mich auch noch nicht!«
»Für sie ist eine Frau ein Stück Dreck!«
»Sie für mich auch, Sascha!« Sie zog den schönen, wilden Kopf zwischen die Schultern. »Wir brauchen die 123, – DM und Patienten!«
Es kam nicht mehr zu einer Kraftprobe. Draußen vor der Tür geschahen in diesem Augenblick merkwürdige Dinge. Corell und Danica hörten es bis in die Praxis … Bizeps-Karle – nur er konnte es sein – stieß einen brüllenden Laut aus. Dann polterte etwas, und es hörte sich an, als krache ein massiger Körper gegen das Treppengeländer.
Mit einem Satz war Danica unter Corells Arme hindurchgetaucht, hatte ihr berühmt gewordenes Stuhlbein an sich gerissen und stürzte zur Tür. Corell, eine Sekunde zu spät, folgte ihr … er erreichte die Diele, als sie gerade mit Schwung die Tür aufstieß.
Bizeps-Karle hing tatsächlich am Treppengeländer. Über sein breites Gesicht lief Blut, eine klaffende Platzwunde an der Stirn machte ihn kampfunfähig, denn das Blut lief in Strömen über seine Augen. Nichts blutet mehr als eine Kopfwunde. Vor ihm stand, die schwere Tokarev am Lauf gefaßt und den Griff als Keule benutzend, Petar Robic und schickte sich an, zum zweiten
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