Ein Sommer mit Danica
Beweis einer unterdrückten Schuld ist! Das ist nicht Corells Art, einfach sich zurückzuziehen. So kann sich kein Mann wandeln, auch nicht mit einem Balkanpüppchen im Bett –«
Petar Robic blieb so lange in Frankfurt, bis Corell wieder völlig gesund war. Er nahm sogar einen Teil des geliehenen Geldes wieder mit zurück nach Piran, denn entgegen früheren Gewohnheiten wurden Corells Patienten aus der Schattenseite des Lebens gute und pünktliche Zahler. Der ›Lord‹ hatte es befohlen.
Sie kamen auch nicht mehr zu ihm, um sich Rezepte für starke Rauschmittel zu holen … das war endgültig vorbei, man gewöhnte sich schweren Herzens daran und betrachtete Corell als den Arzt für alles. Nicht einmal das Angebot eines Abortus wurde mehr an ihn herangetragen … dafür saßen täglich einige Dirnen herum, denen ihre Zuhälter blaue Augen oder Hämatome geschlagen hatten oder die zu Corell zu einer ›Voruntersuchung‹ kamen, ehe sie zur Routinekontrolle beim Gesundheitsamt antraten.
»Wenn ein drittes Telegramm kommt –«, sagte der alte Robic beim Abschied auf dem Frankfurter Flughafen, umarmte Corell und Danica, küßte sie und bekam Tränen in die Augen – »kann mich keiner mehr zurückhalten. Dann bringe ich dich um, Sascha. Wer kann diese ewigen Aufregungen aushalten? Meine beiden Großväter wurden zweiundneunzig, eine Großmutter dreiundneunzig, die andere fünfundneunzig! Mein Vater und meine Mutter lebten auch noch, wenn sie von den Deutschen nicht umgebracht worden wären … aber ich, Sascha, ich will hundert werden! Und ich lasse mich von dir nicht daran hindern! Aufregung frißt sich ins Herz. Sorge dafür, daß ich nicht zerfressen werde …«
Dann waren sie wieder allein, standen draußen vor dem riesigen Flughafengebäude und sahen der silbern glänzenden Maschine nach, die donnernd über sie wegzog und in den Herbsthimmel stieß. Hinter einer der ovalen Scheiben saß jetzt Petar Robic, blickte hinunter auf das weggleitende Frankfurt und sagte zu der Stewardeß, die durch den Gang lief und kontrollierte, ob jeder Passagier angeschnallt war: »Heute ist kein Nebel, Tochter. Kein Grund, in München oder Paris zu landen –«
Die Stewardeß verstand nicht den Sinn der Worte, aber sie war – wie alle Stewardessen – höflich, lachte verbindlich und ging weiter.
»Wann heiraten wir, Sascha?« fragte Danica und hängte sich bei Corell ein. Das Flugzeug mit Robic war im Dunst verschwunden.
»So schnell wie möglich, Danica. Fordere deine Papiere an …«
»Ich habe sie längst bei mir, Sascha.«
»Weihnachten?« Er legte den Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. »Was hältst du von Weihnachten?«
»So spät, Sascha?«
Corell lachte. »Weihnachten ist schneller da, als man denkt. Man kann es ja fast schon greifen … Wir werden uns sogar sehr beeilen müssen, um es bis dahin zu schaffen.«
»Dann laß uns rennen! Sascha! Laß uns rennen wie um unser Leben! Los!«
Sie packten sich an der Hand und rannten über den weiten Platz zu ihrem Wagen, lachend, mit wehenden Haaren, ausgelassen wie Kinder … zwei Menschen, denen in dieser Stunde die ganze Welt weit offen stand –
33
Das änderte sich schnell.
Es begann damit, daß Danica ihren Krankenschwesterlehrgang in der Abendschule von Dr. Kölling wieder aufnahm. Diesmal viermal wöchentlich (ein Abend als Repetitorium), weil sie in den vergangenen Wochen zuviel versäumt und vieles nachzuholen hatte.
Und mit der Abendschule und den Anatomiestunden in der Klinik trat auch wieder der junge Dr. Hans Willbourg in den Kreis von Corells Leben. Er hatte auf Danica gewartet … als sie zum erstenmal wieder erschien, begrüßte Willbourg sie wie eine alte Bekannte.
Was über Dr. Corell geflüstert wurde, kannte natürlich auch er. Ob er es glaubte, sei dahingestellt … bei Danicas Wiederkehr in den Kursus war er bereit, alles zu glauben, was gegen Corell sprach.
Zweimal brachte er Danica nach Hause, ohne daß Corell es merkte; beim drittenmal, als sich Danica schon verabschiedet hatte, drehte er sie plötzlich an den Schultern herum, zog sie an sich und küßte sie. Danica war so überrumpelt, daß sie sich nicht wehrte … aber diese Schrecksekunde war schnell vorbei, sie preßte die Fäuste zwischen sich und Dr. Willbourg und stieß sich von ihm ab.
»Sind Sie verrückt?« sagte sie hastig atmend. »Was ist denn mit Ihnen los?«
»Du bist verrückt, Danica.« Dr. Willbourg hielt sie an der linken Hand fest, als sie zur Haustür laufen
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