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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Brillen-Otto. »Und er hat den richtigen Nerv. Sieht mich an, tippt auf die Leber und sagt: ›Du Saufhund! Mit dieser Leber machst du noch vier, fünf Jahre. Willst du nicht länger leben?‹ – Leute, der Mann ist in Ordnung!«
    Von da an lief die Praxis des Dr. Corell auf Hochtouren, bis man ihm zwei Verletzte ins Haus schleppte. Schußverletzungen. Er fragte nicht, flickte die Kerle zusammen, gab ihnen Injektionen gegen Wundbrand und Wundinfektionen und ließ die beiden Fünfhundert-Mark-Scheine liegen, die man ihm wortlos auf den Schreibtisch warf. Vier Tage lagen sie dort … am fünften nahm er sie, zog mit ihnen durch die Bars, aber er wurde sie nicht los. Überall, wo er eintrat, hatte er freies Trinken, und als er sich eine Hure mit nach Hause nahm, tat auch die es umsonst, gewissermaßen auf Werbungskosten.
    Von dieser Nacht an wußte Dr. Corell, wo er gelandet war. So wie die Schmarotzervögel aus den Hautfalten der Nashörner die Insekten picken, ernährte er sich vom dunklen Einkommen seiner meist lichtscheuen Patienten. Seine Arztkollegen begannen, ihn zu schneiden. Er wurde nicht mehr zu Tagungen eingeladen, alle privaten Beziehungen rissen ab, selbst die Arztbesucher der großen Arzneimittelfabriken mieden ihn … er war ausgestoßen, und es war ihm völlig wurscht.
    »Es wird alles anders werden –«, sagte er jetzt. Der ›schöne Edy‹ zuckte zusammen. »Ich werde wegziehen und eine neue Praxis aufmachen.«
    »Dann kommen wir alle dorthin.«
    »Nein! Ich werde wieder ein vernünftiger Arzt.«
    »Sind wir keine vernünftigen Kranken?« Das war so eine Frage, auf die man kaum eine Antwort geben konnte. Jeder Kranke ist gleich vor dem Arzt, das ist oberstes Gesetz. Der Arzt und der Priester, – sie sind für alle da. Ob im Nerzmantel oder im stinkenden Flickenkleid, – die Krankheit fragt nicht danach. Und oft steckt unter einer nach Müll riechenden Haut ein besseres Herz als hinter einer Wolke französischen Parfüms. »Ich werde nie mehr saufen!« sagte Corell laut.
    »Was hat das mit Ihrer Praxis zu tun, Doktorchen?«
    »Es gibt keine Rezepte mehr für Preludin und Dilaudid, Scophedral und Dolantin. Was wollt ihr dann noch von mir?«
    »Sie!«
    Der ›schöne Edy‹ löste sich von dem gynäkologischen Stuhl. Mit wippenden Hüften ging er im Zimmer umher, streichelte seine polierte Glatze und demonstrierte die Erschütterung einer Frau, deren Geliebter die Tür offen hält und sagt: »Raus! Ich habe genug von dir!«
    »Ihr braucht keinen Arzt, ihr braucht einen Rezepteschreiber. Aber ich will wieder ein Arzt werden, versteht ihr das nicht?« Corell schlug die Fäuste gegeneinander. »Edy, ich will wieder heiraten …«
    »Das ist ja pervers!« jaulte der ›schöne Edy‹ auf. Er lehnte sich an die Wand, als würden ihm die Knie weich. »Was soll denn hier eine Frau? Ein Weib! Pfui! Eine richtige Ehefrau?«
    »Ja.«
    »Mit richtiger Liebe?«
    »Und mit Kindern … so schnell wie möglich.«
    »Mir wird schlecht.« Der ›schöne Edy‹ sank auf die grüne Wachstuchliege und verdrehte die Augen. Corell rührte sich nicht, er kannte solche Auftritte. Einmal lagen in seiner Praxis vier Homosexuelle herum, ›Ehepaare‹, die sich trennen wollten und Rat bei ihm suchten. Ihre Hysterie war schlimmer als die einer Diva, deren Schoßhund entlaufen ist. »Ich kollabiere, Dokterchen –«
    »Atme tief durch, dann wird's besser.« Corell stand auf. Der ›schöne Edy‹ klebte auf der Liege, und ihm tropfte tatsächlich der Schweiß von der Glatze. »Ich will es noch einmal versuchen, Edy. Zum letztenmal. Vielleicht ist es schon zu spät, das wird sich herausstellen. Ich werde gegen Vorurteile anrennen müssen. Es kann sein, daß mich bald die Kraft verläßt … dann komm ich wieder zu euch.«
    »Wie heißt die – Frau …«, fragte der ›schöne Edy‹. Das Wort Frau schien er geradezu auszuspucken.
    »Danica …«
    »Jugoslawien?«
    »Ja.«
    »Dieses Rindvieh von ›Hotel-Adolf‹. Wir werden ihn dumm und dusselig schlagen. Er hätte es verhindern können.«
    »Nein. In Lipica war Danica schon bei mir.«
    »Das schwarze Wälzerchen, von dem ›Hotel-Adolf‹ sprach?«
    »Edy, du fliegst 'raus, wenn du von Danica noch einmal in diesem Ton sprichst. Ich habe noch nie eine Frau so geliebt wie sie.« Auch Hilde nicht, dachte er plötzlich. Oder doch? Die Erinnerung an sie wurde fahl, ihre bisherige Heiligengestalt versank in den Wolken. Was er nie verstanden hatte, erlebte er jetzt mit blankem

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