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Ein Sommer und ein Tag

Ein Sommer und ein Tag

Titel: Ein Sommer und ein Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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ganzes Leben lang nicht vergessen – hast du mich mit deiner Gitarre überrascht. Du hast Gitarre gespielt, zum ersten Mal seit einer Ewigkeit, und zwar für mich. Bis heute weiß ich nicht, wie du es geschafft hast, die Gitarre nach St. Lucia zu schmuggeln, ohne dass ich etwas davon mitbekommen habe.» Er lässt den Blick sinken, um sie anzusehen. «Keine Ahnung. Es war einfach … wie im Film. Die Wolken rissen auf, die Sonne brach durch, und du hast endlich wieder für mich Musik gemacht. Es fühlte sich an, als würde Gott persönlich auf uns heruntersehen.»
    «Hat er aber nicht», sagt sie und gibt dem Gespräch damit eine andere Wendung, als er beabsichtigte. Einen Augenblick lang glaubt sie weinen zu müssen, doch dann ist die Traurigkeit auch schon wieder verflogen. Sie möchte über die Hochzeit nachdenken, über das schlichte weiße Brautkleid, das sie auf den Bildern gesehen hat, und darüber, dass sie so euphorisch aussah. Doch ohne Erinnerungen an ihre Liebe und ihre Geschichte kommt es ihr vor, als würde Peter ihr eine Geschichte über das Leben fremder Leute vorlesen. Da war etwas, nur einen Augenblick lang – in der Melodie, als er sang, oder in dem Text –, das etwas in ihr ansprach, aber wie alles andere ist es schon wieder weg; ein Aufflackern, das wieder erloschen ist.
    Peter wird wieder in die Gegenwart zurückgerissen. Er sieht sie mit zusammengekniffenen Augen an, spürt, was sie denkt, und zuckt mit den Achseln.
    «Du bist hier, oder etwa nicht? Hat das denn gar nichts zu bedeuten?»
    «Wer weiß schon, was das zu bedeuten hat?»
    «Ich glaube, es heißt, dass wir dazu bestimmt sind, zusammen zu sein. Um großartige Dinge zu machen.»
    Du hast leicht reden, denkt sie.
    «Findest du nicht, dass die Klippe eine Metapher sein könnte?»
    «Eine Metapher?», wiederholt er. «Für uns, meinst du?»
    «Ja, für uns», antwortet sie. «Für unsere Ehe. Für deinen Seitensprung.»
    Er seufzt und reibt sich die Nase. Sein inzwischen matt gewordener Ehering reflektiert ganz schwach das Deckenlicht. Indira, Nells Mutter, hat ihm gestern bei einer Tasse bitterem Kaffee in der Krankenhauskantine erzählt, sie wäre auch der Meinung, Nell hätte sich seit dem Unfall verändert. Sie würde – trotz ihres körperlichen Zustands – unbeschwerter wirken, weniger kontrollierend als früher. Indira tätschelte seine rechte Schulter und meinte: «Bleib dran», als hätte er eine Wahl. «Sie wird schon wieder zu sich finden. Ich rede mit ihr», sprach sie weiter, und Peter hat sich jeden Kommentar gespart. Wenn Indira mit Nell sprach, egal in welcher Angelegenheit, war das meistens keine besonders gute Idee. Doch weil er keine Alternative wusste, nahm er einen bitteren Schluck Kaffee und gab nickend seine Einwilligung.
    Als würde sie seine Gedanken erahnen, eröffnet Nell ihm einen Ausweg und beendet die Unterhaltung über Klippen und Seitensprünge und darüber, dass ihre Beziehung vielleicht schon längst den Abhang hinuntergestürzt und in tausend winzige, nicht mehr auffindbare Splitter zerbrochen ist.
    «Vergiss die Hochzeit, vergiss die ganzen großartigen Dinge, die wir noch machen wollten», fordert sie ihn auf. «Erzähl mir lieber eine Sache aus deinem Leben, die du schon gemacht hast und auf die du stolz bist.» Sie denkt an das Versprechen, das sie sich gegeben hat, ab jetzt ihr eigenes Ding zu machen, um stolz auf sich sein zu können.
    Er fängt an zu stammeln. Die Frage trifft ihn unerwartet.
    «Worauf ich stolz bin? O Gott …» Um etwas Zeit zu schinden, spielt er ein wenig an der Uhr herum, die er am linken Handgelenk trägt.
    «Gut, ich mache es dir leichter.» Sie kommt ihm entgegen. «Fangen wir mit etwas Grundlegendem an: Was machst du eigentlich normalerweise? Würdest du das, was du tust, als eine bedeutende Tätigkeit bezeichnen?»
    Er zögert. Er zögert, weil sie ihn vorher, vor alldem hier, dafür verurteilt hat. Verurteilt, weil sie diejenige mit der großen Begabung war, mit dem absoluten Gehör, mit dem unglaublichen Talent. Auch wenn sie es schon lange begraben hatte und nur noch für ihn spielte – oder mit ihm, in ihren besten und auch seltensten Augenblicken. Als sie sich kennenlernten, war es ständig so gewesen. Das war ihr gemeinsames Ding – Gitarre oder Klavier, bis spät in die Nacht. Die Musik verband sie. Und deshalb weiß sie es. Oder sie wusste es. Wusste, dass er niemals haben würde, was sie besaß.
    Er holt tief Luft und sagt: «Ich komponiere.

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