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Ein Sommer und ein Tag

Ein Sommer und ein Tag

Titel: Ein Sommer und ein Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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auf ihn zu richten. Auch wenn es andersrum leichter ist , denke ich. Ja, ich habe mich verändert. Ich bin weniger wertend als früher, schwelge in neu entdeckter Lebensfreude, habe mein Wohnzimmer und meine Garderobe erneuert, und doch … trotzdem. Trotzdem könnte es sein, dass ich mich immer noch ganz am Anfang befinde.
    Ich steche prüfend in die Nudeln. Anderson hat Schuldgefühle, weil er überlebt hat, aber ich fühle mich … ich denke darüber nach … ich fühle mich einfach nur verloren. Genau das ist es. Und vielleicht fühle ich mich deshalb so verloren, weil ich von Anfang an nie wirklich wusste, wer ich bin. Rory, Peter, Tina Marquis, meine Mutter, alle haben mir erzählt, wer ich war, wer ich sein sollte. Aber woher wollen sie das so genau wissen? Woher soll irgendwer das wissen? Ist ein Leben tatsächlich die Summe ausgewählter Eindrücke von Zaungästen? Eiskönigin. Ich grüble über meinen Spitznamen aus der Highschool nach. Stimmt das? Die Eiskönigin kann doch unmöglich alles gewesen sein.
    Ich stelle die Plastikschale beiseite und greife zum Telefon.
    Ganz außer Atem hebt meine Mutter beim dritten Klingeln ab. Lieber Gott, hoffentlich habe ich sie jetzt nicht bei einem sexuellen Ritual gestört!
    «Liebling? Ja! Hallo!», begrüßt sie mich.
    «Störe ich gerade?»
    «Na ja.» Sie zögert. «Ein bisschen.» Tate murmelt etwas im Hintergrund. «Aber ich nehme mir trotzdem Zeit für dich.» Es hört sich an, als würde sie den Hörer mit der Hand verdecken, dann murmelt sie ihm etwas zu, das ich nicht verstehen kann.
    «Habt Ihr gerade Yoga gemacht?» Bitte, bitte, lass es Yoga sein!
    «Wir können gerne Yoga dazu sagen, wenn du dich damit wohler fühlst, Liebes.» Großer Gott, kein Wunder, dass ich so verkorkst bin!
    «Gut, Mom, hör zu, ich bin neulich Tina Marquis über den Weg gelaufen.»
    «Tina Marquis?» Ihre Stimme wird hörbar schriller, als sie versucht, den Namen einzuordnen. «Ach, das Cheerleader-Mädchen aus der Highschool? An die habe ich seit Jahren nicht mehr gedacht. Wobei, das stimmt nicht ganz, ich sehe ihre Mutter ab und zu beim Einkaufen. Ganz fürchterlich, was da passiert ist.»
    «Fürchterlich? Was ist denn da passiert?»
    «Ach, nichts Wichtiges. Hat sich eben gehen lassen. Als könnte man mit sechzig sein Leben nicht immer noch lieben und genießen. Wenn du immer noch nicht weißt, dass ich in meinem Alter in der Blüte meines Lebens stehe, hast du mir nie zugehört, Liebling.»
    «Ach, Mom! Ich höre dir zu! Und können wir bitte jetzt ausnahmsweise mal nicht von dir und deinen seltsamen Ritualen und deiner Spiritualität sprechen?»
    Sie macht ein eingeschnapptes Geräusch. «Wieso musst du auch unbedingt genau das Gegenteil davon sein?» Sie klingt, als wollte sie eine Moralpredigt vom Stapel lassen, und ich schneide ihr eilig das Wort ab.
    «Ist ja auch egal. Jedenfalls hat Tina Marquis mir erzählt, dass Dad wieder da war. Damals zu meinem Highschool-Abschluss. Wovon ich, offensichtlich, zum allerersten Mal etwas gehört habe. Also. Ist da was dran?»
    Am anderen Ende herrscht Stille. Kein Laut ist zu hören. Ich sehe zu, wie die Uhr am Kabelempfänger von 19:33 auf 19:34 umspringt und die Käseschicht auf den Makkaroni langsam erstarrt. Schließlich höre ich meine Mutter einatmen.
    «Das ist nicht belegt», wehrt sie ab. «Ich kann es dir wirklich nicht sagen.»
    «Dann ist es also möglich.»
    «Nein. Das glaube ich nicht. Ich hätte es gemerkt. Man kann nicht siebzehn Jahre mit einem Mann verheiratet sein und so was dann nicht merken.»
    «Aber du hast ja auch nicht gemerkt, dass er gehen wollte. Woran solltest du merken, dass er plötzlich wiederauftaucht?»
    «Ich hätte es eben gemerkt!» Sie verliert langsam die Geduld. «Ich hätte es gewusst. Solche Dinge weiß eine Ehefrau eben. Wenn er dich und Rory hätte sehen wollen, hätte er es mir gesagt. Er wäre nie einfach so und ohne Erklärung, weshalb er uns damals verlassen hat, durch die Stadt gerauscht!»
    «Eine Ehefrau weiß so was eben», murmele ich leise. «Das ist lächerlich. Soll das bedeuten, dass ich das mit Peter auch hätte wissen müssen? Dass ich etwas hätte unternehmen müssen, um ihn von seinem Seitensprung mit Ginger abzuhalten?»
    «Eleanor Margaret! Geh mir nicht auf die Nerven! Fang ja nicht an, das auf dich zu beziehen! Ich hätte es gewusst, und das hat nichts mit dir und Peter zu tun. Und ganz abgesehen davon, meinst du nicht auch, dass er, wäre er damals tatsächlich zu

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