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Ein Sommer und ein Tag

Ein Sommer und ein Tag

Titel: Ein Sommer und ein Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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deinem Abschluss gekommen» – sie atmet hörbar aus, und ich stelle mir vor, wie ihr Gesicht ein besonders leuchtendes Rot annimmt –, «glaubst du nicht auch, ganz ehrlich, dass er, würde er dich tatsächlich noch immer von ferne beobachten, nach allem, was du seit dem Absturz durchgemacht hast, spätestens jetzt versucht hätte, zu dir Kontakt aufzunehmen?»
    In mir explodiert etwas. Mein Herz.
    «Oh», mache ich, weil ich zu mehr nicht in der Lage bin. Auf diese Idee bin ich bis zu diesem Augenblick kein einziges Mal gekommen. Dass mein Vater irgendwo da draußen ist und sich selbst nach … nach alldem hier nicht meldet.
    «Oh, nein, hör zu, Liebchen! Wenn ich mich aufrege, dann rede ich einfach zu viel», stammelt meine Mutter. «Das hat deine Schwester von mir geerbt. Ich kann einfach den Mund nicht halten. Es tut mir leid. Das hätte ich nicht sagen dürfen.» Sie zögert. «Aber nun ist es eben heraus, und wahrscheinlich ist das für uns beide eine große Erleichterung. Bitte, Liebling, bitte lass es endlich los. Lass ihn los. Du machst dich wunderbar, deine Ehe regeneriert sich langsam wieder, du bist zurück in der Galerie, und mit deinem Leben läuft es so gut, besser kann es gar nicht werden.»
    Ich nicke, verabschiede mich und lege auf, und das ist auch besser, denn so kann sie meine Tränen nicht hören. Ich wische das Skizzenbuch, von dem Jasper behauptet hat, es wäre eine Landkarte für den Weg in die Welt meines Vaters, mit einer heftigen Bewegung vom Tisch, und es fliegt in hohem Bogen zu Boden, wo es aufspringt und wie ein toter Fisch liegenbleibt.
    Mir wird klar, dass ich meinem Instinkt hätte trauen sollen. Ihn zu hassen. Ihn ein für alle Mal aus meinem Leben zu verbannen. Mal ehrlich: Wer braucht schon einen Vater, wenn man es erst mal geschafft hat, allein groß zu werden und seinen Weg zu finden?
    Erst viel später, als ich unter die Decke gekuschelt im Bett liege, wird mir klar, wie sehr ich mich geirrt habe: nicht darin, dass ich keinen Vater brauchte, sondern darin, dass ich nie den Instinkt hatte, ihn zu hassen. Das Gegenteil war der Fall: dass ich ihn nie ganz gehen lassen konnte, weil ich ihn zu sehr liebte. Ich starre die dunkle Zimmerdecke an, warte auf den Schlaf, verfolgt von dem Gedanken, dass mir, wenn ich selbst meinem eigenen Instinkt nicht trauen kann, wirklich nichts mehr geblieben ist.

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    22
«There’s a Light That Never Goes Out»
The Smiths
    ***
    V ielleicht ist er tot», überlegt Peter, als er mich am nächsten Tag von seiner Klausurtagung in den Berkshires anruft, während ich mir gerade einen Weg durch die Fußgängermassen bahne. Ich weiß nicht, ob Ginger auch mit dabei ist, weil es inzwischen fast keine Bedeutung mehr hat. Trotzdem gibt es eine nagende Stimme in mir, die immer noch keine Ruhe gibt. Mein altes Ich würde ihn gerne fragen – Ist Ginger auch dabei?  –, aber mein neues Ich hält mich zurück, versucht, zuversichtlich zu sein, nicht mehr an die Narben der Vergangenheit zu rühren.
    «Findest du das hilfreich?» Ich halte mir das freie Ohr zu, um den Verkehrslärm auszublenden. Es hat angefangen zu nieseln. Die dunklen Wolken hängen viel zu niedrig, drücken nach unten, als wollten sie einen ersticken.
    «Ich meine ja bloß. Vielleicht ist er inzwischen gestorben und hat sich deshalb nach dem Absturz nicht bei dir gemeldet.»
    Ein entgegenkommender Fußgänger sticht mir mit seinem Regenschirm fast ein Auge aus. Ich fahre herum und zeige ihm mit der freien Hand den Stinkefinger. Aber er ist schon längst an mir vorbei, weder etwas von seinem Angriff auf mich noch von meiner Überreaktion ahnend.
    «Er kann nicht tot sein.» Ich seufze. Die Kälte hinter Peters Vermutung ärgert mich, und gleichzeitig entmutigt sie mich, weil der Tod meines Vaters wie die einzig angemessene Erklärung auf mich wirkt. «Und wenn er noch so einsiedlerisch lebt, das hätte doch jemand mitbekommen. Man hätte davon gehört. Wir würden es wissen.»
    «Aber dann ergibt es wirklich keinen Sinn!»
    «Das alles ergibt überhaupt keinen Sinn!», entfährt es mir ein bisschen zu laut, als ich an einer roten Ampel warte. Die beiden Männer neben mir, zwei schicke Typen Mitte zwanzig, die Schals perfekt um den Hals drapiert, die Baseball-Kappen mit ironischen Aufdrucken tief ins Gesicht gezogen, drehen sich zu mir um und starren mich an. Sie sehen beide genauer hin, sie haben mich erkannt. Ja, sie ist es wirklich – die Verrückte vom People

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