Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
mitgenommen habe, wenn es zu wichtigen Treffen ging. Damals, als ich noch eine Macherin war und keine Hure im Social Network. Freundlich, sodass es für die Sportzuschauer im Wohnzimmer nicht zu distanziert und abgehoben klingt, sage ich: »Ich bin jetzt mal für eine Weile weg. Ich gehe zu einer Versammlung, wo es um irgendein Neubaugebiet geht, das sie uns hier aufs Auge drücken wollen.«
Der Ehemann schaut auf. Eine Spur des alten Respekts in seinem Blick.
Aber man nimmt eben, was man kriegen kann.
Und noch auf der Fahrt zu dieser Veranstaltung wird mir klar, dass ich meine Facebook-Orgie nicht wiederholen muss.
Andererseits bin ich auch nachsichtig mit mir: Denn immerhin habe ich mich drei volle Tage lang nicht einsam gefühlt. Oder zurückgewiesen. Vielmehr fühlte es sich an wie mein altes Ich, das offenbar (wenn auch vielleicht nicht im Vergleich zu dem Mädel mit den tausendsoundsoviel Freunden) wieder ziemlich beliebt war. Und attraktiv. Begehrenswert. Zwanzig. Wieder ein Glückskind. Auch wenn ich mit meinen 42 inzwischen alles Nötige über tönerne Füße weiß.
Das Geschenk seiner Schwester
Die Schule geht wieder los.
So wäre es dann. Ich wäre so allein, wie ich es jetzt bin. In meinem Bett. Die Decke hochgezogen oder auch nicht, genau so, wie ich das möchte. Ohne unter seiner Schnarcherei zu leiden. In dem Wissen, dass, wenn mein Grübeln oder meine Träume mich nicht daran hindern, ich ausgezeichnet schlafen werde. Ich kann lange lesen, ohne mich zu sorgen, dass das Licht ihn stört. Ich kann mir Lettermann so laut ansehen, wie ich will. Das alles ist gar nicht schlecht.
Außer wenn ich bedenke, dass ich mich aus irgendeinem Grund bei der Vorstellung, dass seine Präsenz und seine männliche Stärke uns nicht beschützen, ein wenig ängstige. Als ich heute Abend in den pechschwarzen Himmel schaute – während die Kojoten bellten und heulten –, da wurde mir klar, wie viel im Leben ich wegen seiner männlichen Stärke nicht fürchte. (Lustig, was man sich nachts und im Dunkeln so alles eingesteht.)
Mein Mann ist es gewohnt, bei seiner Schwester zu sein. Angesichts der dauernden Abwesenheit ihres Mannes hat er auch schon früher schwere Arbeiten rund ums Haus für sie
erledigt. Hat ihr geholfen, den Garten nach ihren Vorstellungen neu zu gestalten. Denn auch sie kreiert gern schöne Dinge. Er ist stolz, ihr dabei helfen zu können. Das ist so, wie seine Mutter es in ihrer Kindheit für sie zu Hause gemacht hat. Und vielleicht auch so, wie seine Frau es in seinem jetzigen Zuhause tut.
Er ruft an, um mir zu berichten: »Ich habe den Rasen gemäht, die Wassersprinkler repariert, mich um den Sperrmüll gekümmert.« Er befindet sich im Aktionsrausch des ersten Tages.
Aber ich kann ihm seine Furcht anhören, und ich kann hören, wie machtlos er sich fühlt. Dies ist nicht die Zeit, um die Dinge zu beschönigen, wie er es sonst gerne tut. Dies ist der Zeitpunkt für drastische Maßnahmen. Für ehrliche und schwierige Gespräche. Aber natürlich ist es auch wichtig, das Haus in Schuss zu halten. Ich fürchte nur, dass er sich hinter dieser Aufgabe verstecken wird. Denn ich möchte ja, dass er diese Erfahrung an sich heranlässt. Dass sie auch sein Leben verändert. Dass sie seine Seele wachrüttelt.
Und vielleicht geschieht das auch, denn als wir ihn später anrufen, geht er sofort ran. Was seinen momentanen Kommunikationsgewohnheiten ja gar nicht entspricht.
»Was machst du gerade?«, frage ich.
»Ich schaue mit allen zusammen die U.S. Open.« Als er aufzählt, wer alles da ist, verstehe ich, was »alle zusammen« genau bedeutet: seine kranke Schwester, ihre beiden Töchter, seine andere Schwester, sein Bruder und die Ex seines Bruders. Sie alle sind gekommen, um zu helfen.
Mit anderen Worten, er sitzt in einem Wohnzimmer unter fast lauter Frauen, von denen einige schon viel durchgemacht haben, sei es durch eine tödliche Erkrankung oder eine gescheiterte Beziehung. Meiner Ansicht nach ist das momentan
der perfekte Platz für ihn. Natürlich wünsche ich niemand solchen Schmerz. Aber ich kann darin eine Chance für meinen Mann sehen, innerlich zu wachsen – wie ein spirituelles Geschenk, das seine Schwester ihm macht. Oder eigentlich unserer Familie.
An einem der folgenden Abende rufe ich seine Schwester an. Sie telefoniert normalerweise gar nicht gern, aber diesmal reden wir stundenlang. Darüber, wie es für sie ist, körperlich und mental und spirituell – am Schluss wünscht sie
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