Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
noch genehmigen. Auf ihren Stirnen steht machtlos geschrieben. Sie tun mir leid. Aber es ist aufregend zu erleben, was das alles in mir auslöst. Nach dem vergangenen Sommer fühle ich mich in dieser Angelegenheit nicht machtlos.
Ich habe die nötige Energie und Erfahrung, um zu kämpfen, ohne mir die Probleme anderer Leute aufzubürden. Meine Strategie sieht ein wenig anders aus, aber wie verdammt gut fühlt es sich an, wieder so aktiv und eloquent zu sein, statt zurückhaltend und schweigsam. Alles zu seiner Zeit eben.
Also fertige ich massenhaft Kopien an. Von den Anträgen der Bauträger, von Briefen, Studien der Katastrophenschutzbehörde FEMA, Landkarten. Diese Kopien bringe ich jedem, der mir einfällt und der etwas von diesen Dingen verstehen könnte: einem Biologen, einem Hydrologen, dem Typen, der als Landrat kandidiert, dem Land Trust, einer Landschaftsgärtnerin, die wunderbare Vorbehalte gegen die Erschließung hat, einem Umweltingenieur, einer Anwältin. Außerdem rufe ich jeden an, der möglicherweise bereit ist, bei der öffentlichen Anhörung zu erscheinen und sich gegen die totale Unangemessenheit dieser verdichteten Bebauung im ländlichen
Westen, so weit außerhalb der Stadt, auszusprechen. Ich liefere diesen Leuten bereitwillig Argumente:
Es widerspricht einfach dem Charakter unserer Landschaft und hätte zerstörerische Auswirkungen auf die Umwelt, die Fauna und das Grundwasser. Und auf die Menschen, die hier zu Hause sind.
Außerdem handelt es sich nicht um die einzige geplante Parzellierung. Es gibt einen ganzen Haufen davon, die flussaufwärts und -abwärts vorgesehen sind. Dabei ist gerade der Fluss ein wichtiger Korridor für die in diesem Breitengrad lebende Tierwelt.
Aber ich kämpfe nicht wie verrückt. Nicht so fieberhaft, wie ich das sonst tue, wenn ich eine Mission habe. Ich bin ruhig. Ich glaube, in diesem Sommer bin ich ein ganzes Stück gewachsen. Ich vermag das sogar als sein Geschenk an mich zu betrachten. So ein Gedanke erfordert höchste Reife. In spiritueller Hinsicht, denke ich.
Ich ertappe mich dabei, wie ich im Auto mit mir selbst rede, während ich kreuz und quer durch unser Tal fahre, um Kopien zu machen und zu verteilen. Gleichzeitig integriere ich auch noch die Musikstunden, das Fußballtraining und sonstige Abhol- und Bringtermine meiner Kinder in den Zeitplan. Dann sage ich zu mir selbst: »Jetzt fährst du erst mal zum Kopierladen. Das ist alles. Der Kopierladen. Für den Moment zumindest.«
Beim Kopierladen angelangt, gebe ich die Stapel mit meinen Unterlagen ab und gehe dann hinaus, um in der Sonne zu warten. Wenn ich eine Raucherin wäre, dann würde ich jetzt in der Sonne rauchen.
Ein Schulbus bleibt stehen, und ein Farmer der Hutterer (vergleichbar den Amish People, allerdings haben sie Lastwagen) kommt auf mich zu. Er trägt die typischen Hosenträger
und das blaue Arbeitshemd. In seinem seltsamen, altmodisch wirkenden Akzent fragt er mich, welche Produkte ich brauchen könnte. Diese Jungs, also die Hutterer, sind ausgezeichnete Geschäftsleute mit großer Überzeugungsgabe. Ich bewundere auch ihre Art.
Rasch überfliege ich seine Liste. Romatomaten. Ich möchte schon die ganze Zeit die Tomatensoße meiner italienischen Mama nachkochen – die Pomarola-Soße, die man in der Toskana im Hochsommer kocht, wenn es auf den Märkten massenhaft leuchtend rote, vollreife Romatomaten gibt. Auf unserer Seite der Rockies wachsen wegen des rauen Klimas allerdings keine vielversprechenden Tomaten.
Meine italienische Mama hat mir noch den Rat mitgegeben: »Sieh zu, dass du Tomaten bekommst, die möglichst nah am Meer gewachsen sind. Wegen des Aromas.«
Ich mustere den Mann mit dem gestutzten Bart. »Wo wohnen Sie?«
»Drüben in Dupuyer, dort drüben, in der Nähe von Browning dort. Valier.«
»Auf der Ostseite. Da ist es sonniger.«
»Ganz recht. Viel sonniger. Sind Farmer in der fünften Generation. Wir machen auch Rhabarberwein.«
Ich muss an den Freezeout Lake denken und an den Zug der Schneegänse. Jedes Jahr fahre ich zum »Frühjahrsputz« – meiner spirituellen Entschlackung – über die Rockies, um mir das anzusehen. Und es ist dann immer sonnig. Die ganze Gegend war einst ein Binnenmeer. Dinosaurierland. Ich schätze, mehr Meer werde ich in Bezug auf Tomaten in dieser Gegend nicht finden.
»Wie viele Kisten haben Sie?«
»Na, drei oder vier.«
»Ich nehme drei.«
Als ich mit ihm in den Bus steige, um mir die besten drei Kisten auszusuchen,
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