Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
Keinen von ihnen mochten wir durch unseren Trip westwärts brüskieren. Zudem waren uns die Annehmlichkeiten von »zuhause« ja durchaus noch lieb und teuer. Wir waren sogar unendlich dankbar dafür.
So feierten wir also auf unsere Kosten mit den Freunden in Seattle – mit ein paar Fässchen Bier und einer Reggae-Band. Danach ging es nach Chicago. Man traf sich in der Mitte. In meiner Vorstadt an der North Shore richteten meine Eltern sodann eine Hochzeit aus, die Mädchen wie mir dort »gebührte«, egal, ob das ihrer Lebensrealität nun entsprach oder nicht.
Es war wundervoll. Jedes Detail so perfekt, dass es selbst den Ansprüchen meiner Mutter genügte. Bis auf die cremeweißen Muscheln, die wir am Hood Canal gesammelt hatten und als Symbole für unser Leben im fernen Westen in die Blumenarrangements schmuggelten. Das bedeutete uns sehr viel.
Und wir schafften es sogar in die Hochzeitsrubrik der Zeitschrift Town & Country , wo man uns sowieso vermutet hätte. Kurz: alles fügte sich so, als wären wir nie fort gewesen. Die Flitterwochen verbrachten wir in Paris – das Hochzeitsgeschenk seiner Eltern an uns. Wir bedankten uns für unsere prachtvollen Hochzeitsgeschenke auf unserem Briefpapier von Crane mit dem neuen Monogramm, das für allerlei Irritationen sorgte, da ich meinen Namen nicht geändert hatte. Das gefiel uns. Trotzdem waren die sechs Anfangsbuchstaben wie ein neues Wort für uns.
Nachdem das alles vorbei war, kehrten wir glücklich nach Seattle zurück. Und hatten erst einmal für eine Weile zu tun.
Mit Hilfe seines Vaters kauften wir ein Haus – ein kleines zwar, aber immerhin unser eigenes. Mit einem Esszimmer. Ein Esszimmer mit einem richtigen Esszimmertisch und
Stühlen. Ein angemessener Platz für den Porzellanschrank meiner Großmutter.
Und nachdem wir mit Hilfe von Freunden und im Austausch für Bier – das Ganze dauerte, wie man sich denken kann, ein paar Monate – die Küche renoviert hatten, packten wir endlich die letzten Hochzeitsgeschenke aus. Damit war alles am Platz für das nächste Kapitel unseres Lebens. Wir wussten sogar schon, welcher Raum das Kinderzimmer werden sollte.
Es war unser erster Abend, nachdem alles fertig war. Ich hatte die spezielle Pasta pomodoro nach dem Rezept der Großmutter meiner italienischen Gastfamilie gekocht und servierte sie gerade in unserer nagelneuen Pastaschüssel, als mein Mann die eben erst eingehängte Küchentür aufstieß.
»Rat mal, was es Neues gibt! Ich hab gerade einen Job angeboten bekommen! Einen fantastischen Job! In einer neuen Brauerei. Mit einem tollen Chef, der mir auch ein gutes Gehalt zahlen will. Ein richtig gutes! Mit Gewinnbeteiligung! Und ich soll den Laden schmeißen. Du müsstest dann nicht mehr arbeiten, sondern könntest Vollzeit schreiben! Wir könnten uns ein hübsches Haus mit einem Stück Land dazu kaufen. Du könntest eine Mutter sein, die zu Hause bleibt und schreibt, genauso, wie du es dir immer erträumt hast.«
Mein Herz machte einen Sprung, und der Löffel mit der Pasta schwebte in der Luft. Ich malte mir ein Haus im Northwest-Craftsman-Stil aus, irgendwo am Lake Washington oder auf Bainbridge Island. Vielleicht an einem Strand, wo wir mit unseren künftigen Kindern Muscheln suchen oder sogar zu den San Juans segeln, Orcas und riesige orangefarbene und violette Seesterne beobachten konnten. Wir würden Teil des Establishments von Seattle, aber aus eigener Kraft und nicht
dank unserer Eltern oder Vorfahren. Irgendwann wären wir eines dieser gediegenen älteren Paare, die nach den Sinfoniekonzerten durch die Stadt spazierten. Die Dame mit langem Cape, der Herr mit Hut. Die Schriftstellerin und ihr großartiger Gatte mit seiner Kette hervorragender kleiner Brauereien im ganzen Nordwesten. Unsere Kinder könnten gute Schulen besuchen und einige der Privilegien genießen, die auch wir hatten. Aber eben in Seattle. Und ohne den Druck, den wir hinter uns gelassen hätten.
»Da wäre nur noch eine Sache«, sagte er.
Ich sah ihn an. Ich kannte diesen Gesichtsausdruck. Ich ließ das Vorlegebesteck sinken.
»Wir müssten umziehen. In einem Monat. Nach … Montana.«
In jenem Moment war ich mir, ehrlich gesagt, nicht einmal ganz sicher, wo Montana überhaupt liegt. Es war einer dieser riesigen rechteckigen Bundesstaaten – so wie North Dakota. Ich wusste ja kaum, wo sich Washington State befindet!
Meine Hochstimmung war dahin. Mein geliebtes Seattle. Meine lieben Freunde. Meine Autorengruppe. Ich ruhte hier
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