Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
aufsuchen würden – die mit den besten Ärzten. Wo die absolut »verantwortungsvollen« Leute hingingen.
»Und wenn er seinen Job verliert? Was dann? Da draußen wächst die Arbeit doch auch nicht auf Bäumen. Wie wollt ihr dann eure Hypothek bezahlen? Ist es nicht naiv, alles auf eine Karte zu setzen?«
»Es wird schon gutgehen«, war meine Standardantwort. Aber eigentlich war ich mir dessen gar nicht so sicher. »Vielleicht
fangen meine Bücher bald an, sich zu verkaufen. Unser Leben hier ist gut. Mehr könnten wir gar nicht verlangen. Und ich habe endlich genug Zeit zum Schreiben!«
Der Erstling war allerdings schon mal durchgefallen. Inzwischen hatte ich bereits viele Romane verfasst. Ich war die junge Frau, die sich einen Roman nach dem anderen von der Seele schrieb, sich damals aber keineswegs mehr sicher war, ob ihr überhaupt noch irgendjemand glaubte, dass sie Schriftstellerin sei. Kolibris sind tolle Augenzeugen und auch die Hunde zu den Füßen, aber nicht wenn man versucht, etwas zu erreichen, das man in einen Lebenslauf schreiben könnte. Für eine Vita braucht man Verdienste. Und wie das Leben so spielt – Essays, Artikel und Kurzgeschichten in der Regionalpresse und Rezensionen anderer Autoren zählen nicht dazu. Auch respektvolle Absagen kann man in keinem Lebenslauf zitieren.
Ich versuchte, das alles zu ignorieren und mich auf meine kleine Familie und mein Schreiben zu konzentrieren. Denn abgesehen von den Absagen aus der Verlagsbranche lief es ziemlich gut. Ich habe diese Phase unseres Lebens häufig als Schöpfungsmodus bezeichnet. Damals schufen wir die Basis für die Persönlichkeiten unserer Kinder. Mein Mann baute an seiner Karriere, ich an meinen Büchern. Ich rechtfertigte das fehlende Einkommen aus meinen Aktivitäten mit Aussagen wie »Gott sei Dank komme ich nicht ausgerechnet jetzt groß raus. Meine Kinder brauchen mich noch. In dieser Phase ihres Lebens könnte ich sie doch nie wegen einer Lesereise allein lassen!« Es war Zeit zum Leben. Zum Säen. Nicht zum Ernten. Und wie ich schon sagte, verdiente er gutes Geld, also war es machbar, nur von einem Einkommen zu leben.
Doch dann kam nach acht Jahren auf einmal alles anders.
Für meinen Mann waren die Zeiten im Brauereigeschäft vorbei, und ihm bot sich die neue Chance, zusammen mit
einigen Freunden, die das Gleiche schon an einem ähnlich abgelegenen Ort erfolgreich getan hatten, eine Personalvermittlungsfirma zu gründen. Es klang nach einem brillanten Geschäftsmodell und dank Internet war es dazu auch nicht mehr nötig, den Firmensitz in einer Großstadt zu haben. Er konnte also hart arbeiten und trotzdem noch ein paar Abfahrten im nächsten Skigebiet machen. Oder im Sommer noch eine Runde Golf spielen und einfach die Jahreszeiten genießen. Er würde sein eigener Chef sein. Er konnte alles haben, so wie wir es uns immer ausgemalt hatten: Geld und Abenteuer und Unabhängigkeit.
Was sie in ihrem Businessplan außer Acht gelassen hatten, war etwas, womit niemand gerechnet hatte: der 11. September.
Der traf seine Branche richtig hart. Er arbeitete die nächsten sieben Jahre wie ein Hund, ohne damit den verdienten finanziellen Erfolg zu erzielen. Und das forderte seinen Tribut.
Meine bescheidenen Erfolge mit dem Schreiben deckten gerade mal die Kosten für mein Hobby – das Reiten – ab, und die sind in dieser Gegend nicht besonders hoch.
Die Lage war trostlos. Unsere Ersparnisse und Investitionen schmolzen dahin. Und vorsichtig ausgedrückt, fühlte sich keiner von uns beiden mehr wie ein Glückskind. Eins nach dem anderen opferten oder schränkten wir unsere privaten Annehmlichkeiten ein – die Reitstunden, die Haushaltshilfe, die Personal Trainer, die Bio-Lebensmittel, die Mitgliedschaft im Fitnessstudio, die Restaurantbesuche. Es war relativ einfach, darauf zu verzichten. Wir rühmten uns sogar, solchen Luxus doch gar nicht zu brauchen. Dennoch waren wir daran gewöhnt gewesen.
Mit dem Haus war das schon anders. Das würden wir nicht verlieren. Er versprach mir, wir hätten genügend Ersparnisse, um es zumindest noch ein paar Jahre zu halten. Gleichzeitig
sah ich jedoch den Zweifel in seinem Blick, jedes Mal, wenn er von einem Termin bei der Bank zurückkam.
Es gab Leute, die uns sagten, es sei an der Zeit, endgültig unsere Zelte abzubrechen. Endlich vernünftig zu werden und »nach Hause zurück« zu kommen, in die Welt, für die wir eigentlich bestimmt waren.
Wir erwarteten kein Mitleid, aber wir waren auch
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