Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
veröffentlichen. Unsere Ehe wird eher früher als später wieder in Ordnung kommen. Ich werde diese zehn Kilo abnehmen. Und zum Teufel noch mal – jetzt gehe ich nach Hause und bereite diesen von Gourmet gelobten Gelbe-Bete-Salat zu.
Als ich die Zufahrt hinaufgehe, schaue ich auf unseren Besitz – unsere wunderschönen zwanzig Morgen mit den zwei Teichen, die er vor Jahren entdeckt und über die er mir ekstatisch am Telefon berichtet hatte. Ich versuche, nicht traurig darüber zu werden, dass ich ihn schon so lange nicht mehr ekstatisch erlebt habe. Als ich die Berghüttensänger auf dem
Zaun und die Adler in der Thermik hoch oben entdecke, dazu den Wind durchs Gras streichen sehe, da nehme ich mein Montana, unser Montana mit allen Sinnen auf – und bin glücklich. Nicht nur einen Schritt vom Leiden entfernt, sondern weite Sprünge.
Die Hunde bleiben stehen und starren die Einfahrt hinauf. Er biegt gerade mit seinem Geländewagen in die oberste Kurve ein – das Boot an der Anhängerkupplung.
Aha. Das Boot geht also auch Angeln. Das nenn ich leidenschaftliches Angeln. Das verheißt nicht, nur für ein paar Stunden die Angelrute an einem Flussufer ins Wasser zu halten. Das bedeutet, den ganzen Tag und vielleicht die ganze Nacht hindurch zu fischen. Mit Kumpeln.
Ich stehe nur da und spüre, wie mich die Enttäuschung erfasst. Der Zustand der Gelassenheit ist dahin, und an seine Stelle tritt das Bild meines Mannes und einiger Jungs: kettenrauchend, bekifft, in einem Boot auf einem sumpfigen See, und aus einem mitgebrachten Radio dröhnt Zeppelin.
Doch es gibt verschiedene Optionen. Dieses Szenario kann dreierlei bedeuten:
Ja, er geht tatsächlich fischen, und zwar mit seinen speziellen Angel-Kumpels, und wir werden ihn heute nicht mehr zu Gesicht bekommen. Vielleicht auch abends nicht. Mal wieder.
Er bringt das Boot zum Bootsladen.
Er hat ein so schlechtes Gewissen wegen seines Benehmens in diesem Sommer, dass er allein ein bisschen meditativ angeln geht und uns dann in ein paar Stunden zu einer Bootsfahrt erwartet. Er wird uns wie in alten Zeiten am Bootsanleger abholen. Immerhin ist ja heute Freitag. Und er wäre schon ein echter Scheißkerl, wenn er seine Familie am Wochenende sitzen ließe.
Ihm bleibt nichts anderes übrig als stehen zu bleiben. Außer natürlich, er will mich über den Haufen fahren, was dann Möglichkeit Nummer vier wäre.
»Hi«, sagt er. Er sieht schuldbewusst und distanziert und übernächtigt aus.
Ich presse die Minze in meiner Hand zusammen und halte sie so, dass sie sich zwischen uns befindet. Er liebt Blumen, weil auch seine Mutter sie liebt. Früher half er ihr bei der Gartenarbeit. Die Minze so unmittelbar vor seiner Nase ist meine kleine Erinnerung daran, wie erbaulich es ist, die eigenen Eltern um sich zu haben, weil man so zumindest versuchen kann, eine glückliche Kindheit zu verleben.
»Hi«, sage ich.
»Was ist das?«, sagt er und heuchelt Interesse, was bedeutet, dass er sich schlecht benommen hat. Er sieht auch wirklich elend aus und kann sich kaum besser fühlen.
»Minze.« Ich lächle und halte sie ihm an die Nase. Ich behandle ihn also nicht so, als hätte er sich schlecht benommen. Ich habe mich auch schon auf diese Weise schlecht benommen, und ich weiß, dass die Selbstbestrafung in so einem Fall mehr als genug ist. Ich halte mich von seinen tönernen Füßen komplett fern und frage nicht einmal, was er mit dem Boot vorhat.
Ich erinnere mich an den Ausruf meines Sohnes heute Morgen – »Seht mal! Dads Wagen steht in der Einfahrt!« –, ehe er mit Sunblocker, drei Blasenpflastern und einem wirklich leckeren Mittagessen in der Lunchbox zum Fußballspielen aufbrach. Das war vier Stunden, bevor sein Vater aufwachte, noch dazu in seinem Bett.
Aber ich lächle und versuche, mich sommerlich zu fühlen.
Er bietet mir diese Variante an: »Ich fahr das Boot in den Laden. Wenn sie es heute noch reparieren, könnten wir vielleicht am Abend noch auf den See.« Ein Ausflug mit unserem
eigenen Boot ist eine unserer Lieblingsunternehmungen und eine, die er am liebsten vorschlägt. Das ist also ein gutes Angebot.
Vielleicht fischt er hier nach ein wenig Wiedergutmachung. Oder er hat es auch einfach nur satt, ein Arschloch zu sein. Er weiß ja, dass er eigentlich kein Arschloch ist. Obwohl das eine gute Story ist, die er sich da im Moment selbst vormacht, damit er ihr entsprechend leben und sein Verhalten damit letztlich rechtfertigen kann.
Die meiste Zeit über ist eben
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