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Ein Sonntag auf dem Lande

Ein Sonntag auf dem Lande

Titel: Ein Sonntag auf dem Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bost
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über und über lachendes Gesicht. Das Mittagessen sei serviert, rief sie. Alle drei wussten nicht recht, ob ihre große Erleichterung von der Ankündigung der Mahlzeit oder der Gegenwart des Kindes herrührte. Und so blieb ihnen, Mireille bei der Hand zu nehmen, um zurück ins Haus zu gelangen.
    Als sie das Speisezimmer betraten, saßen die beiden Jungen schon bei Tisch und hatten gerade ein Glas Wasser geleert, mit der Absicht, ihre Gläser auszuspülen, damit man die Spur des kleinen Rotweinschlucks nicht bemerkte, den sie eben heimlich getrunken hatten.
    Das Mittagessen verlief gut. Es war immer der einfachste und angenehmste Teil des Besuchs, weil die Mahlzeit Gesprächsthemen lieferte und es zudem erlaubte, auf solche zu verzichten. Monsieur Ladmiral liebte das Essen, ohne Übertreibung und mit Stil. Und Mercédès kochte gut. Das Esszimmer war angenehm: ein großer, gefliester, luftiger Raum. Drei Fenster gingen auf den Garten hinaus. Sie standen offen; Wespen flogen herein.
    »Wenn du dein Jackett ausziehen willst …«, sagte Monsieur Ladmiral zu seinem Sohn.
    Edouard hätte das sehr gern getan und hatte schon die Hand an seinem gestärkten Kragen, um ihn aufzuknöpfen, doch er wagte es nicht. Er wusste, dass sein Vater jede Nachlässigkeit verabscheute und seinen Vorschlag nur aus Höflichkeit gemacht hatte, in der Hoffnung, dass er nicht umgesetzt würde. Anfangs hatte Marie-Thérèse das falsch verstanden und insistiert: »Aber zieh doch dein Jackett aus, wo es dein Vater dir doch erlaubt! Sieh nur, wie du schwitzt …!«
    »Aber nein, ich fühle mich sehr gut«, pflegte Edouard zu antworten. »So warm ist es gar nicht!«
    »Was willst du denn?«, rief Marie-Thérèse jeweils aus und rieb seinen Hals rundherum mit der Serviette ab. »Zu Hause macht er es sich bequem, sobald es nur ein bisschen warm ist – umso mehr solltest du das auf dem Land tun, oder?«
    »Selbstverständlich«, sagte Monsieur Ladmiral. Er nahm es seinem Sohn übel, sich so zu zieren, und er war ihm auch gram angesichts der Vorstellung, dass er seine Jacke vielleicht wirklich wie ein Fuhrmann ablegen würde. Und da Gonzague schließlich, um seinem Vater nicht zu missfallen, das Jackett anbehielt, verübelte er ihm, nicht den Mut zu haben, zu seinen Meinungen zu stehen.
    Sie aßen ein riesiges Huhn. Die Kinder verschlangen es schweigend; selbst Mireille, die jetzt wieder ganz hergestellt war, schlug sich bewusst den Bauch voll und dachte nicht an die Dramen, die sie damit für die Rückreise vorbereitete.
    »Pass auf die Kleine auf, die Zugfahrt …«, sagte Gonzague.
    »Sie wird so oder so krank werden«, sagte Marie-Thérèse, »aber was macht das schon, wo sie doch so gut isst?«
    »Was ich alles futtern kann!«, seufzte Lucien und stellte sein Glas zurück, das er gerade, um ein wenig Platz zu schaffen, in einem Zug ausgetrunken hatte.
    »Gut so!«, sagte Marie-Thérèse mit vollem Mund. »Iss nur weiter, mein Fratz.«
    Monsieur Ladmiral litt ein wenig, aber er war besonnen. Das ist meine Schuld, dachte er, ich bin zu empfindlich. Die Kinder sind nicht schlechter erzogen als andere; ich bin eben ein schwieriger Großvater. Ich bin froh, dass sie gekommen sind und dass es ihnen schmeckt, ich liebe sie sehr … Und um sich von seinen schlechten Gedanken freizukaufen, füllte er Emiles Glas randvoll mit Wein. Der leerte es sicherheitshalber in einem Zug, schnell genug, ehe sein Vater protestierte: »Du willst ihn das nicht alles trinken lassen?«
    Emile triumphierte und schwenkte sein Glas hin und her, um zu zeigen, dass er der Unternehmung durchaus gewachsen gewesen war.
    »Na also«, sagte er. »Das ist gar nichts. Einmal war ich besoffen, weißt du noch, Maman?«
    »Du rühmst dich dessen noch!«, sagte seine Mutter und fügte als Entschuldigung gegenüber Monsieur Ladmiral hinzu: »Man muss sehen, was sein Vater ihm erzählt hat!«
    »Du bist betrunken gewesen?«, fragte der Großvater lächelnd und tat so, als würde er sich rege dafür interessieren. »Erzähl mir das.«
    »Das war an dem Tag, als ich dem Hausmeister geholfen habe, den Wein auf Flaschen zu ziehen«, sagte Emile, »im Keller, wo man nichts gesehen hat. Ich hatte mir ein Viertel genommen und mir jedes Mal einen Schluck genehmigt. Am Ende hatte ich ganz schön einen sitzen.«
    »Das ist wirklich ein Grund, stolz zu sein!«, sagte Gonzague.
    »Ich sage nicht, dass ich stolz darauf bin«, sagte Emile. »Großvater hat mich danach gefragt.«
    »Und hat dir das

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