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Ein Sonntag auf dem Lande

Ein Sonntag auf dem Lande

Titel: Ein Sonntag auf dem Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bost
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lächerlich!«
    Mercédès hatte ihrerseits auch zu zittern begonnen, als sie Irène durchs Haus laufen hörte. Monsieur Ladmirals Siesta, die selbst die Bedienstete respektierte, würde unterbrochen werden! Sie trat aus ihrer Küche, bereit, für Ruhe zu sorgen.
    »Guten Tag, Mercédès!«, rief Irène beiläufig. »Ich habe Ihnen Pampelmusen mitgebracht. Monsieur mag sie sehr, Sie finden sie im Wagen.«
    Sie zog im Laufschritt ihre Jacke aus und hängte sie im Vorbeigehen an einen Kleiderhaken in der Diele. Mit einem Satz sprang sie mit lauten »Hallo«-Rufen in den Garten, näherte sich mit großen Schritten der Laube und ließ die Kieselsteine aufspritzen.
    Monsieur Ladmiral wachte auf und machte eine Bewegung, wodurch die Zeitung, die seinen Kopf schützte, zu Boden fiel. Einen kurzen Moment lang sah man den etwas schiefen Mund und den leeren Blick eines alten Mannes, der schlecht aufwacht – kein guter Übergang. Mit allem unzufrieden, ließ Monsieur Ladmiral seinen Blick suchend schweifen, um Emile oder Lucien die Schuld zu geben. Da sah er seine Tochter, und sein Gesicht hellte sich auf.
    »Irène!«
    Er hob, inzwischen putzmunter, die Arme gen Himmel, richtete sich in seinem Liegestuhl auf, fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, strich seinen Bart glatt, warf ein wenig Schleim aus der Tiefe seines Rachens aus, um seine vom Schlaf heiser gewordene Stimme zu befreien. Irène stand neben ihm und küsste ihn auf beide Wangen.
    »Dein Bart ist ja ganz durchnässt«, sagte sie. »Das ist idiotisch, so in der prallen Sonne zu schlafen. Wie geht es dir?«
    »Mal so, mal so«, sagte Monsieur Ladmiral, der froh darüber war, endlich etwas ausführlicher über seine Gesundheit reden zu können. »Das hängt vom Tag ab; gestern und vorgestern zum Beispiel …«
    »Ich konnte heute Nachmittag gerade eine Fahrt hierher machen«, sagte Irène, die das, was man Gesundheit nennt, nicht beachtete, weder die eigene noch die der anderen. »Das war die Gelegenheit. Ich sollte mit Freunden Mittag essen, doch im letzten Moment hat sich die Frau – bums! – den Kopf auf der Treppe gebrochen, den Kopf, will sagen, das Bein. Sie hat übrigens mehr Bein als Kopf. Für sie ist es blöd, denn sie sollte übermorgen zu einer Reise aufbrechen. Blöd auch für mich, denn ich muss sie in der Klinik besuchen, was mir im Moment gar nicht passt. Also habe ich mir gesagt: Gut, ich habe meinen Herrn und Meister lange nicht mehr gesehen, das kommt gerade richtig, und da bin ich! Aber was für eine Hitze auf der Straße! Du kennst sie übrigens, dieses Mädchen, also, ich habe dir von ihr erzählt: Es ist Marinette, die kleine nette Frau, der ich meinen alten Wagen verkauft habe. Und was treibst du so? Es ist verrückt, wie lange ich dich nicht gesehen habe, aber du hast dich nicht verändert. Und ich? Ich erkenne dich sehr gut, aber du siehst nicht so gut aus, weißt du das? Du solltest dich mehr bewegen; wenn du magst, können wir gleich einen kleinen Rundgang machen. Ich habe dir Pampelmusen mitgebracht; Mercédès weiß Bescheid. In Klammern: Ich finde, dass Mercédès komisch aussieht; glaubst du, dass sie schwanger ist? Das würde mich aber echt wundern. Das da ist mein Hund, siehst du ihn? Du kommst nie drauf, wie er heißt: Médor heißt er. Gib zu, dass das ein schöner Name ist. Alle meine Freunde, die Hunde haben, ärgern sich, dass sie nicht darauf gekommen sind. Und du, sag schon, genießt den heiteren Gonzague und seine Truppe? Ich habe sie lange nicht gesehen. Wie geht es ihnen? Ihre Kleine ist reizend, nicht zu glauben, dass sie es geschafft haben, die ganz allein hinzukriegen. Schau, da kommen die beiden Erben! Sagt mir guten Tag, ihr Schmuckstücke des Familienalbums.«
    Emile und Lucien waren gerade aufgetaucht, angezogen durch Irènes Stimme, die sie aus ihrem Schlaf gerissen hatte. Sie waren sofort herbeigerannt und lauschten, hingerissen vor Bewunderung und Scheu, mit offenem Mund. Ihre Tante bezauberte sie; der Ältere war natürlich verliebt in sie, der Jüngere nur durcheinander. Welchen Namen man ihren Gefühlen auch geben musste, sie waren von der Art, die Kinder über sich selbst erhebt. Emile und Lucien fassten es nicht, dass es ihnen erlaubt war, dieser bewundernswerten, schönen, eleganten, fröhlichen und lärmenden Frau so leicht so nahe zu kommen. Dieser Frau, die sich nie über etwas wunderte, ärgerte oder beklagte, in allem ihren Eltern so überlegen war, und die viel mehr jenen Frauen ähnelte,

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