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Ein Sonntag auf dem Lande

Ein Sonntag auf dem Lande

Titel: Ein Sonntag auf dem Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bost
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verzichtet. Jetzt schlief man, sobald Vaters Siesta begann, und fühlte sich auch sehr wohl dabei. Gonzague und Marie-Thérèse gingen, nachdem sie Tablett und Flaschen im Esszimmer abgestellt hatten, in den Salon hinüber, wo sie Mercédès mit diesem Blick empfing, den Dienstboten ihren Herrschaften, die am hellen Tag schlafen wollen, schenken und den diese absichtlich übersahen. Im Salon spielten sie einen kurzen Moment die Komödie, dass sie sich auf angenehme Weise erholen wollten: Marie-Thérèse hatte sich auf einem aufgeplusterten Kanapee ausgestreckt, und Edouard hatte sich in einen Ledersessel gesetzt. Anfangs taten sie so, als ob sie miteinander sprechen wollten.
    »Wie fandest du Vater?«, fragte Edouard.
    »Unverändert.«
    Die Antwort war vielleicht zweideutig. Musste er das vertiefen? Edouard zögerte. Aber da Marie-Thérèse nicht gefunden hatte, dass es Vater schlechter ging, gab es keinen Grund, sich zu beunruhigen. Und Monsieur Ladmiral schlief dort hinten in seiner Laube einen so guten, so friedlichen Schlaf!
    »Werden die Kinder ihn auch nicht aufwecken? Wo sind sie überhaupt?«
    »Die Kleine schläft«, sagte Marie-Thérèse, »und die Jungen müssen auf der Wiese sein.«
    Das bedeutete so offenkundig, dass auch die Jungen schliefen, im Schatten der Apfelbäume, dass die Eltern ihrerseits spürten, wie der Schlaf immer schneller von ihnen Besitz ergriff. Nur ein paarmal noch schreckten sie hoch, und keinem von beiden war das Vergnügen gegönnt, den anderen als Ersten einschlafen zu sehen. Wie gut es doch ist, eine Siesta zu halten! Edouard hatte, indem er so tat, als würde er eine bessere Sitzposition im Sessel suchen, gerade noch Zeit, heimlich seinen gestärkten aufknöpfbaren Kragen zu öffnen und den obersten Knopf seiner Hose, die ihm den Bauch einschnürte, aufzumachen.
    Das Bellen eines Hundes weckte sie, und die Galoppsprünge eines großen Tieres, das seine Krallen über die Steinplatten des Korridors kratzen ließ und sich gegen die Wände warf. Die Tür ging mit großem Krach auf. Das Tier, ein schwarzer, dürrer, schnauzbärtiger Pudel mit krausem Fell, der mit den Pfoten herumfuchtelte, stürzte schnüffelnd und kläffend in das Zimmer. Marie-Thérèse, wie aus einem Albtraum gerissen, krümmte sich auf dem Diwan. Gonzagues Hand fuhr an seinen Kragen, um seine Kleidung wieder in Ordnung zu bringen. Der Hund war, nachdem er ein zu leichtes Tischchen umgerissen hatte, bereits wieder verschwunden. Es blieb nur noch eine junge, sehr elegante und stark geschminkte Frau, die im Türrahmen stand, die kleine Mireille an ihren kräftigen Armen hin und her schwenkte und rief: »Aufstehen da drinnen. Ich hab das da gefunden. Gehört das euch?«
    Es war Irène, Gonzagues Schwester. Breitbeinig stand sie da, trug ein Kostüm aus dickem Stoff, das nach Luxus und Schlafwagen roch, und lachte aus vollem Hals. Sie stellte Mireille auf den Boden und machte sich daran, die Läden eines Fensters zu öffnen. Sonnenlicht erleuchtete das Zimmer.
    »Nanu?«, sagte Edouard. »Bist du’s? Guten Tag.«
    Seine Stimme nahm einen gleichgültigen, ungezwungenen, aber heiseren Ton an, der den Eindruck erwecken will, dass man keineswegs aus dem Schlaf hochgeschreckt worden sei. Marie-Thérèse hingegen bemühte sich nicht um solche Finessen. Sie schreckte, vom Schlaf ganz starr und verklebt, auf dem Kanapee hoch und strich eine feuchte Haarsträhne, die sich über ihre Stirn gelegt hatte, zurück.
    »Was ist los? Ah? Sind Sie es?« Marie-Thérèse setzte sich auf, zog ihren Rock herunter und schlüpfte in ihre Schuhe, die sie vor der Siesta abgestreift hatte und die jetzt eine Nummer kleiner wirkten.
    Irène gab ihrem Bruder und ihrer Schwägerin die Hand.
    »Geht es euch gut, ja? Schämt ihr euch nicht, als arbeitsame und ehrwürdige Menschen eine Stunde zu schlafen? Wo ist der Hausherr? Und eure anderen kleinen Engel?«
    »Papa schläft in der Laube«, sagte Gonzague. »Weck ihn nicht auf.«
    »Das bringt ihm nichts, einfach so zu schlafen«, sagte Irène. »Ihr solltet ihm das nicht erlauben.«
    Sie stürzte aus dem Zimmer und rief, wie man hörte, mit lauter Stimme nach ihrem Hund. Marie-Thérèse, die überall an ihren Schenkeln herumnestelte und sich in den Hüften wiegte, rückte ihr Mieder zurecht. Edouard war aufgestanden und bearbeitete, während er die Ellenbogen hochstellte und den Kopf nach hinten beugte, seinen Kragen mit einer Leidensmiene.
    »Sie wird Papa aufwecken – das ist

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