Ein Sonntag auf dem Lande
erzählt …, sondern sie lebendig machte, sie aufblähte, als seien sie bereit zu platzen, als sei jede ein kleines Lebewesen, das danach verlangte, gestreichelt zu werden, oder ein Wort, das es zu verstehen galt. In diesen Augenblicken wusste Monsieur Ladmiral, dass er die Malerei über alles liebte, dass er in seinem Leben nichts zu bereuen hatte und es, wenn er keinen größeren Erfolg gehabt hatte, alles in allem keine große Bedeutung hatte, da er begriff, was er hätte machen müssen, und er den Gipfel wahrnahm, auch wenn er ihn nicht erreichte. Da saß er mit zitternden Händen und leerem Blick im Halbschlaf inmitten dieses strahlenden und heißen Lichtes, das ihn durch und durch wärmte, und es bildete sich in seinem Kopf die vage Vorstellung eines Moses, der nach vielen Mühen starb und das versprochene Land von Nahem sah, ohne Skrupel und Bedauern, da er für nichts und niemanden verantwortlich war und einfach sterben würde, nachdem er alles gesehen, verstanden und geliebt hatte, was er liebte. Man kann für weniger sterben. Er erkannte die schwarze Silhouette seines Sohnes neben sich. Schwarz, das sagte sich schnell, er erkannte rotbraune und blaue Töne, und das Gesicht erschien ihm plötzlich entsetzlich violett, beinahe purpurfarben. Genau das hätte er malen, herausfinden müssen. Zu spät. Monsieur Ladmiral nickte langsam ein und war sich dessen bewusst. Sich auf diese Weise gehen lassen im hinreißenden Schauspiel eines schönen Lichtes – was für eine vollkommene Freude! Jetzt ist mein Sohn purpurfarben geworden, dachte er. Ich habe ein purpurfarbenes Kind gemacht! Monsieur Ladmiral schlief.
Gonzague betrachtete seinen Vater, dessen Kopf gerade entspannt gegen die Rückenlehne des Liegestuhls zurückgesunken war. Die geschlossenen Augen, das Lächeln, das man unter dem struppigen weißen Barthaar erahnte, und die vollkommene Abgeklärtheit machten ihm Angst. Ja, eines Tages wäre es so, mit dem grauenerregenden Unterschied, dass es dann für immer wäre. Gonzague war so glücklich, dass sein Vater nicht tot war, dass er unendliche Dankbarkeit für ihn empfand. Gleichzeitig durchfuhr ihn der ganz simple Gedanke, dass sein Vater eingeschlafen war, wie er es immer nach dem Essen tat. Alles, was man für ihn in diesem Moment tun konnte, bestand darin, seinen Schlaf nicht zu stören. Monsieur Ladmirals Siesta war eine heilige Einrichtung. Gonzague und seine Frau erhoben sich vorsichtig. Er faltete eine Zeitung auseinander, die auf dem Eisentisch lag, und breitete sie über dem Kopf seines Vaters aus, um ihn vor der Sonne und den Fliegen zu schützen. Der Alte bewegte sich ein wenig im Schlaf und bedankte sich, als ob er im Traum gesprochen hätte. Gonzague nahm das Kaffeetablett vom Tisch, seine Frau die Schnapsflasche und die Gläser, und beide entfernten sich sehr behutsam aus der Laube, wobei sie die Füße ganz flach aufsetzten, um auf dem Kies keine Geräusche zu machen. Gonzague sah seine Frau an; sie tauschten ein zartes, gerührtes Lächeln aus, als stünden sie vor einer Wiege. Beide kehrten sie, beladen mit zerbrechlichen Gegenständen und behutsam gehend, um nicht mehr Lärm als die Sonne und die Insekten zu machen, ins Haus zurück und ließen den alten Vater schlafen.
Nichts ist ansteckender als eine Siesta. Alles verläuft so, als ob die Lebensfreuden nur Krankheiten wären, denen man sich nicht hinzugeben wagt. Man widersteht, weil man glaubt, widerstehen zu müssen, und dann reicht es aus, wenn sich einer gehen lässt, dass alle Welt es nachmacht. So einfach war das also? Es genügte, sich einfach gehen zu lassen? Und was sollte letztlich Schlechtes daran sein, nach einem guten Essen ein Schläfchen zu machen? Man zögert, aus falscher Scham. Jeder hofft, dass die anderen damit beginnen werden und man heimlich als Letzter einschlafen kann. Zudem hofft man, als Erster aufzuwachen, damit niemand wissen wird, dass man geschlafen hat. Man wird sogar das Spiel spielen, all diese Faulpelze aufzuziehen, die nur einige Minuten länger als man selbst geschlafen haben. Manchen Leuten gelingt es so ein ganzes Leben lang – und allein dadurch, dass sie ihre Schlafzeiten überwachen –, den Eindruck zu erwecken, nie zu schlafen.
Gonzague und seine Frau waren da weniger empfindlich. Früher hatten sie dieses Versteckspiel betrieben – er hinter einer Zeitung, sie über ihren Flickarbeiten –, aber weil sie abwechselnd in die Falle gegangen waren, hatten sie auf die Täuschungsmanöver
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